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06 - Der Schattenkrieg

06 - Der Schattenkrieg

Titel: 06 - Der Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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wie ihnen der Lieutenant an den Augen ansah. Dann kam die Entscheidung. Die beiden Augenpaare blickten zurückhaltend, als sich die Zwillinge überlegten, wie sie es anstellen sollten. Dann war auch das gelöst. Die Pattersons schauten ihn lässig an und nickten. »Aber seht euch vor, Jungs. Im Gefängnis ist es manchmal gefährlich.« Der Lieutenant erhob sich, rief den Wärter und begab sich zurück in sein Büro. Er war ein ehrenwerter Mann und begann in der Annahme, daß die Pattersons ihren Teil der Abmachung halten würden, seinen zu erfüllen. Vier Geschosse waren aus der Leiche des Elrod McIlvane entfernt worden. Eine war so verformt, daß ein ballistischer Vergleich unmöglich war; bei den drei anderen handelte es sich um Grenzfälle. Der Lieutenant ließ die Geschosse zu einer neuen Untersuchung aus der Asservatenkammer holen. Natürlich mußte er ihren Empfang mit seiner Unterschrift bestätigen, um die gesetzlich festgelegte »Beweiskette« nicht zu unterbrechen; Beweismittel, die bei einem Prozeß benutzt werden sollten, mußten sich grundsätzlich an einem bekannten Ort und unter Verschluß befinden, damit Manipulationen vorgebeugt war.
Nun aber, da die Kugeln in ihrem braunen Umschlag ordnungsgemäß an den Lieutenant übergeben worden waren, blieb die Beweiskette intakt. Der Lieutenant legte einen Zettel auf seine Schreibunterlage, auf dem stand, er wollte die Beweisstücke nicht übers Wochenende im Büro lassen, sondern sicherheitshalber lieber mit nach Hause nehmen. Er war fünfundfünfzig und sollte in vier Monaten in Pension gehen. Dreißig Jahre Dienst sind genug, sagte er sich und freute sich auf sein Fischerboot. Es ging nicht an, daß er sich in den Ruhestand versetzen und zwei Polizistenmörder mit der viel zu milden Strafe von acht Jahren zurückließ.
    Zu den Nebenwirkungen, die das Drogenkapital in Kolumbien ausgelöst hatte, gehörte auch, daß die dortige Polizei sich ein hochmodernes Labor leisten konnte. Materialproben aus Untiveros’ Haus wurden den üblichen chemischen Tests unterzogen, und nach wenigen Stunden hatte man festgestellt, daß es sich bei dem verwandten Sprengstoff um ein Gemisch aus Cyclotetramethylentetrinatramin und Trinitrotoluol gehandelt hatte. Diese beiden Substanzen, allgemein als HMX und TNT bekannt, ergeben im Verhältnis 70:30 einen Sprengstoff namens Octol, der sehr teuer und hochbrisant ist und überwiegend in den Vereinigten Staaten hergestellt wird, schrieb der Chemiker in seinem Gutachten, das er dann von seiner Sekretärin abtippen und an Felix Cortez faxen ließ.
Für den ehemaligen Geheimdienstoffizier stellte der Bericht ein weiteres Teil des Puzzles dar. Kein Bergwerk in Kolumbien setzte Octol ein; dazu war es zu teuer. Wenn eine größere Sprengwirkung gewünscht wurde, bohrte man einfach ein größeres Loch ins Gestein und packte mehr Sprengstoff hinein. Dem Militär stand diese Option jedoch nicht offen. Die Größe einer Artilleriegranate wurde vom Durchmesser des Geschützlaufs bestimmt, die Größe einer Bombe von dem Luftwiderstand, den sie am Trägerflugzeug erzeugte. Aus diesem Grunde sind militärische Organisationen immerzu auf der Suche nach leistungsfähigeren Sprengstoffen. Cortez nahm ein Nachschlagewerk vom Regal und stellte fest, daß Octol seinen Anwendungsbereich fast ausschließlich beim Militär hatte - und zum Zünden von Kernwaffen benutzt wurde. Das löste bei ihm ein kurzes, trockenes Lachen aus. Nun mußte Cortez seine ursprüngliche Einschätzung, es sei eine Tonne Dynamit eingesetzt worden, revidieren, denn bei Anwendung von Octol ließ sich ein vergleichbarer Effekt schon mit knapp fünfhundert Kilo erzielen. Einem anderen Nachschlagewerk entnahm er die Information, daß eine Tausend-Kilo-Bombe nur knapp fünfhundert Kilo Explosivstoff enthält.
Warum aber waren keine Splitter gefunden worden? Die Stahlhülle stellte doch über die Hälfte des Bombengewichts dar. Cortez schob diese Frage für den Augenblick beiseite und erwog die Möglichkeit einer Flugzeugbombe. Er wußte, daß die USA über präzisionsgesteuerte Bomben verfügten. Ein solches Gerät, das ein Fahrzeug traf, mußte doch den Eindruck erwecken, es sei eine Autobombe explodiert, oder?
Warum aber fehlten Fragmente? Er nahm sich das Laborgutachten noch einmal vor. Es war auch Zellulose gefunden worden; laut Erklärung des Chemikers stammte sie von der Verpackung des Sprengstoffes.
Zellulose? Also Papier oder Holzfasern. Eine Bombe aus Papier? Cortez nahm

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