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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Wie alles begann.
      
      
      
    Bamberg, 10. März 1776
       
    Im Jahr des Herrn 1776 war man den Anblick von Löwen in den Gassen von Bamberg nicht gewohnt. Schon gar nicht im Winter. Was nicht wenige fromme Leute in der oberfränkischen Bischofsstadt als Heimsuchung des Teufels ansahen, hielt Tobes Pratt für einen mörderischen Angriff, der allein ihm und seiner jungen Familie galt.
    Wer die Geheimnisse der geheimen Bruderschaft kannte, sah die Raubkatze mit ganz anderen Augen. Sie verhielt sich nicht wie ein Tier. Das Biest jagte ihn und seine Lieben mit der Heimtücke eines verschlagenen Menschen, und er hatte einen furchtbaren Verdacht, um wen es sich dabei handelte.
    Vom nächtlichen Himmel schneite es in dicken Flocken auf sie herab, während sie von der Inselstadt flohen. Tobes trug eine Laterne vor sich her, die im Schneegestöber kaum fünf Schritte weit leuchtete. Mehr als um sich selbst war er um seine Frau und den kleinen Arian besorgt, vor sieben Wochen erst hatte Salome ihn zur Welt gebracht. Er war ein ungewöhnliches Kind, das einigen nicht minder ungewöhnlichen Menschen irgendwann gefährlich werden konnte. Deshalb suchten sie wohl nach seiner Mutter, um seine Geburt zu verhindern. Woher sollte die Bruderschaft auch wissen, dass der Knabe schon geboren war?
    »Ich kann den Löwen nicht mehr sehen. Haben wir ihn abgehängt?« , keuchte Salome, den Säugling an ihre Brust drückend. Der Schnee hatte ihr braunes Haar weiß gefärbt. Ihre zierliche Gestalt ließ kaum erahnen, wie zäh sie war. Sie hatte ein Schultertuch über den Jungen gebreitet, damit es nicht in sein Gesichtchen schneite und er womöglich zu weinen anfing.
    »Lauf weiter, Liebes. Zoltán wird nicht aufgeben, ehe er uns gefunden hat.« Tobes hatte den Arm um seine Frau gelegt und schob sie mit sanfter Unnachgiebigkeit auf die Obere Brücke. Ein schneidender Wind wehte ihnen ins Gesicht. Vor ihnen ragte das Rathaus wie ein stolzes Schiff aus der Regnitz auf, dahinter erhob sich der Domberg. In ihrem Rücken läuteten die Feuerglocken Sturm und übertönten sogar das Rauschen des Flusses. Aufgeregte Stimmen drangen von der Insel herüber. Bald würde die ganze Stadt auf den Beinen sein, um den Löwen zu töten.
    »Du glaubst, dass dein Oheim uns jagt?«, fragte Salome.
    »Vielleicht hat sein kleiner Bruder auch einen gewieften Meuchler in den Pelz gesteckt. Mein Großvater schickt sicher den besten, den er finden konnte, um seinen Urenkel zu ermorden.«
    »Warum, Tobes? Er ist ein unschuldiges Kind.« Sie durchquerten den überwölbten Durchgang des Rathausturms und betraten den östlichen Teil der Brücke.
    »Das weißt du doch, Liebes. In ihm verschmelzen die Kräfte zweier Geschlechter, die seit Jahrtausenden verfeindet sind. Arian ist einzigartig.«
    »Ich weiß nur, dass es einzigartig stinkt, wenn er in die Wickeltücher macht.«
    »Du kannst nicht leugnen, dass sich in ihm unsere Talente vervielfachen und Neues hervorbringen. Schon vor seiner Geburt hat er mich damit überrascht. Oder hast du vergessen, wie du vor zwei Monaten von innen heraus geleuchtet hast? Und gleich nach deiner Niederkunft brachte er mich zum Strahlen. Irgendwann könnte dieses Feuer meinen Großvater vernichten. Das ahnt er und deshalb verfolgt er uns.«
    Löwengebrüll drang von der Insel herüber. Ein Schuss hallte durch die Nacht.
    »Vielleicht haben sie ihn erlegt«, sagte Salome.
    »Lass uns den Jungen zu Kord bringen. Sein Wagen müsste im Hof des Wirtshauses stehen, wo er seine Vorstellungen gibt. Es ist hier gleich rechts, ein Stück die Gasse hinab.«
    Sie stapfte weiter geradeaus. Schnee umwirbelte ihre Füße. »Niemals überlasse ich meinen Sohn einem Puppenspieler .«
    »Du tust so, als wären wir etwas Besseres als er, dabei sind wir auch nur Gaukler.«
    »Bei dir ist es aber nur Tarnung. Er bekommt Arian nicht.«
    »Kord soll ihn ja nicht behalten, sondern nur auf ihn aufpassen, bis die Gefahr vorüber ist.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir fliehen in den Dom, so wie besprochen.«
    »Das war von Anfang an keine gute Idee. Es ist nach Mitternacht. Wahrscheinlich sind sämtliche Pforten verschlossen. Und selbst wenn wir dort Einlass finden – ich glaube nicht, dass Zoltán oder wer immer in dem Löwen steckt, sich von Weihwasser und Heiligenbildern abschrecken lässt. Du kennst Kord. Er ist vertrauenswürdig und wird auf den Jungen aufpassen, solange es nötig ist.«
    Schnaubend bog Salome nach rechts in die Herrenstraße ein.
    Tobes

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