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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wollen.“
    „Sie sind wohl auch weiter nichts als Landstreicher!“
    „Nein, sie sind brave, unglückliche Menschen, deren Not man nicht noch vergrößern darf.“
    „Aber was soll ich sonst tun? Das Kuvert mit der Post nach Graslitz schicken, denn dorthin wollen sie?“
    „Das geht auch nicht an, denn Sie kennen ihre dortige Adresse nicht, und die Karten dürfen nicht allen möglichen Zufällen oder gar der Gefahr ausgesetzt werden, verlorenzugehen.“
    „Aber nach Graslitz müssen sie doch!“
    „Allerdings. Ich schlage vor, sie sicheren Leuten anzuvertrauen, welche nach diesem Orte gehen und Frau Wagner dort aufsuchen werden.“
    „Das würde allerdings das Klügste und Sicherste sein; aber ich weiß keinen Menschen, der grad jetzt die Absicht hat, nach Graslitz zu gehen. Und warten, bis irgend jemand zufällig auf diesen Gedanken kommt, dazu gibt es keine Zeit, denn diese Angelegenheit ist eilig.“
    „Wenn Sie nicht, so kenn' ich zwei Personen, welche bereit sind, diesen Botengang zu übernehmen.“
    „Sie? Wer ist das?“
    „Ich und Carpio.“
    „Sie selbst? Sie wollen nach Graslitz? Ich denke Ihr Weg führt Sie nach Karlsbad und weiterhin?“
    „Wir haben eigentlich gar keine festgestellte Tour. Wir wandern, um zu wandern, ohne eigentliches Ziel. Das einzige, war wir dabei zu beachten haben, daß bei uns der Unterricht am siebten Januar wieder beginnt; da müssen wir daheim sein. Ob wir nach Karlsbad oder nach Graslitz gehen, ist gleichgültig.“
    „Aber die Tour nach Karlsbad ist bequemer; Sie haben da stets vortreffliche Straße, während der Weg über Berg und Tal nach Graslitz hinauf jetzt im Winter so beschwerlich ist, daß wenigstens ich ihn nicht gehen möchte. Oder wollen Sie fahren?“
    „Nein. Erstens sind unsere Mittel dazu zu gering, und zweitens müssen wir mit in Rechnung ziehen, daß wir die Gesuchten leicht noch unterwegs treffen können; wir müssen uns also für dieselbe Transportgelegenheit wie sie entscheiden, nämlich für Schusters Rappen.“
    „Schade, jammerschade! Sie gefallen uns, und wir rechneten darauf, daß Sie noch einen oder zwei Tage bei uns bleiben würden. Wenn Sie wenigstens morgen noch bleiben, kann es leicht möglich sein, daß Sie der Frau die Karten hier geben können.“
    „Wieso?“
    „Weil sie, wenn sie ihren Verlust bemerkt, schnell umkehren und wieder zu uns kommen wird, um die Karten zu holen.“
    „Das bezweifle ich, denn sie wird glauben, sie unterwegs verloren zu haben. Wenn sie nicht die feste Überzeugung hätte, sie von hier mitgenommen zu haben, wäre sie wahrscheinlich jetzt schon wieder da.“
    „Es ist möglich, daß Sie recht haben. Also Sie sind wirklich entschlossen, diesen Leuten trotz ihrer Undankbarkeit nach Graslitz nachzulaufen?“
    „Ja. Was Ihnen als Undank erscheint, ist vielleicht eine Folge von Gründen, die Sie und wir nicht kennen. Also, wir machen einen Ausflug, weil wir Bewegung brauchen; wohin wir fliegen, wohin wir uns bewegen, das ist, wie schon gesagt, sehr gleichgültig; fliegen wir also nach Graslitz!“
    „Na, vom Fliegen wird da wohl keine Rede sein können. Es fängt an zu schneien, und wenn es in dieser Nacht so fortschneit, sind für Sie morgen früh alle Wege zu.“
    „Das macht uns heut noch keine Sorge; unsere einzige Sorge ist jetzt nur die, ob Sie uns das Kuvert mit den Karten anvertrauen werden.“
    „Warum denn nicht? So brave Burschen, wie Sie sind, wird man doch Vertrauen schenken, und ich bin überhaupt froh, daß ich diese Sache los werde.“
    „So brechen wir morgen früh auf, sobald es hell geworden ist. Wir werden wohl jemand finden, der uns den Weg beschreiben kann.“
    „Da brauchen Sie nicht weit zu suchen, denn ich stamme aus Bleistadt und kenn' ihn ganz genau. Ich werde ihn nachher auf ein Papier zeichnen, welches Sie mitnehmen können.“
    „Abgemacht, beschlossen und genehmigt!“
    „Nur langsam!“ sagte Carpio. „Du tust doch, als ob du dich ganz allein auf der Erde befändest! Du bestimmst, was geschehen soll, und tust das ganz nach deinem Gutdünken, ohne mich auch nur ein einziges Mal zu fragen. Ich bin aber auch noch da, verehrter Sappho!“
    „Das weiß ich. Ich glaube, allein sprechen zu müssen, weil du die Sprache verloren zu haben scheinst, und war überzeugt, daß du einverstanden sein würdest, wenn es gilt, armen, unglücklichen Menschen zu ihrem Eigentum zu verhelfen.“
    „Daß ich gern dabei bin, versteht sich ganz von selbst, nur weiß ich nicht, ob mein

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