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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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übergangener Heißhunger mir morgen schon erlauben wird, einen so beschwerlichen Weg zu machen.“
    „Grad darüber brauchen Sie nicht zu sorgen“, fiel Franzi heiter ein. „Ich kenne ein ganz sicheres Mittel, Sie bis morgen früh wieder gesund zu machen. Sie müssen dieses Mittel noch heute abend verzehren.“
    „Was ist es?“ fragte Carpio neugierig.
    „Vier oder fünf Stückchen Quarkkuchen.“
    „Quark – – ku – – chen?“ dehnte der Busenfreund schaudernd. „Ich würde auf der Stelle sterben, wenn ich meinem Magen das Herzeleid antäte, auch nur ein einziges zu essen!“
    „Aber ich bin überzeugt, daß Sie doch früher dieser Sorte von Kuchen nicht abgeneigt gewesen sind!“
    „Früher und jetzt, das sind zwei sehr verschiedene Zeiten. Sie kennen doch das lateinische Sprichwort von den Zeiten und den Menschen, die sich ändern?“
    „Gewiß kenne ich es. Es heißt: Saepe luet porci facinus porcellus adulti. Und wenn Sie heut nichts genießen wollen, so werden Sie mir erlauben, dafür zu sorgen, daß sie wenigstens unterwegs nicht Hunger leiden. Jetzt will ich Papier holen, um Ihnen den Weg aufzuzeichnen.“
    Als er das getan und uns den Weg auch noch sehr eingehend erklärt hatte, gingen wir schlafen. Oben angekommen, bemerkte ich, daß der Schrägen mit den Kuchen nicht mehr in der guten Stube stand. Dieser Umstand fiel mir keineswegs auf, denn Kuchen hebt man doch nicht in einem Raume auf, in welchem geschlafen wird, und auch der Busenfreund meinte:
     „Laß ihn fort sein; ich werde um so besser schlafen, wenn ich diesen Quarkkuchen nicht riechen muß, der mir so zuwider ist, wie ich gar nicht sagen kann!“
    Als wir am andern Morgen zeitig Kaffee getrunken hatten, brachte die Wirtin ein großes, schweres Paket Lebensmittel, welches wir mitnehmen sollten. Wir wollten es zurückweisen, weil es uns zuviel schien; sie ging aber nicht darauf ein. Franzi gab uns das Kuvert mit den Schiffskarten und noch ein zweites, kleineres. Er sagte:
    „Den Abschied wollen wir uns nicht gar so schwer machen, denn ich bin überzeugt, daß Sie auf dem Rückweg wieder bei mir einkehren werden. Bis dahin gebe ich Ihnen ein kleines Andenken an mich mit. Sie haben uns bei Ihrem Kommen so mit Reimen überschüttet, daß ich mir gegen Sie wie ein Schuljunge vorgekommen bin. Da habe ich denn gestern abend, als Sie schliefen, mir Mühe gegeben auch einen Reim zu machen. Es hat wohl an die zwei Stunden gedauert, bis er fertig war. Sehen Sie, ob er etwas taugt; aber öffnen Sie das Papier nicht eher, als bis Sie aus der Stadt hinaus sind. Darf ich Ihnen noch ein paar Virginias und einige Stücke Quarkkuchen mitgeben?“
    Da streckte Carpio, der sich heute wieder wohl fühlte, beide Hände abwehrend aus und rief:
    „Ich rauche im Leben niemals wieder, und wenn Sie wollen, daß ich Ihnen ein treues und dankbares Andenken widmen soll, so sprechen Sie das andere Wort, solange wir noch da sind, ja nicht wieder aus!“
    Der Abschied war zwar kurz, aber um so herzlicher. Wir mußten versprechen, auf dem Rückwege, wenn nur immer möglich, ja wieder vorzusprechen und noch einen Tag zu bleiben; dann wanderten wir zur Stadt hinaus. Draußen vor derselben stand ein Einkehrhaus. Als ich an demselben vorüber wollte, hielt mich Carpio an und sagte:
    „Lieber Wanderer, geh nicht weiter! Da drinnen lächelt wieder edle Gastlichkeit!“
    „Schon einkehren? Wir machen doch keine Bierreise und haben kaum zweihundert Schritte getan!“
    Aber der Busenfreund wußte mich zu überreden. Er bewies mir mit mathematischer Schärfe, daß wir unbedingt das mitbekommene Paket untersuchen müßten, was doch unmöglich unterwegs im Freien geschehen könne. Auch müßten wir das Gedicht lesen; ein Bier koste nur sechs Kreuzer und reiche für uns beide – ergo!
    Die Stube war leer; dann kam eine Frau, schenkte uns das Bier ein und ging dann wieder hinaus. Wir waren allein. Nun wurde das Paket mit großer Feierlichkeit geöffnet. Es enthielt ein ganzes Stück Butter, einen Käse, ein Stück Schinken, eine halbe Magenwurst, einige Stücke Rosinenkuchen und etwas in Flanell gewickelt. Als wir dies öffneten, fielen zehn blanke Gulden und ein Papier heraus, auf welchem zu lesen stand:
    „Für die Visite schulden Wir Ihnen diese Gulden.
    Ihr treuer Franzi.“
    Wir ließen unserer frohen Überraschung zehn Minuten lang freien Lauf; als Carpio dann allerlei Vorschläge machte, wie dieses Geld unterwegs zu verwenden sei, sagte ich:
    „Es wird

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