0600 - Die Fee und die Horror-Reiter
haben, Aibon zu retten? Sag es mir?«
»Allein schon wegen Guywano. Vergeßt nicht, daß er auch unser Todfeind ist.« Hätte Suko es geschafft, er hätte den Kopf geschüttelt.
»Ich begreife euch nicht. Wie kann man nur so dumm sein und nicht nach vorn denken! John steht auf verlorenem Posten, verdammt! Will das nicht in eure grauen Schädel hinein?«
»Wir wissen, was wir tun!«
»Das wißt ihr eben nicht. John und ich haben gegen die Horror-Reiter gekämpft. Wir beide zusammen können uns Chancen ausrechnen, er allein hat sie kaum.«
»Trotzdem, es bleibt dabei.«
Suko schoß das Blut in den Kopf. Er war zornig und verdammt wütend geworden und bäumte sich dabei in seinen Fesseln auf, die jedoch hielten. Sie verrutschten leider um keinen Millimeter, zu straff waren sie um ihn und die Pritsche gespannt worden.
Ein Bluff war es nicht gewesen, Suko hatte seine Worte schon sehr ernst gemeint, nur stieß er auf taube Ohren. Die Männer in Grau waren in ihren Aktionen einfach zu festgefahren, und diese wiederum konnten für John und ihn tödlich enden.
Einer der beiden bewegte sich direkt auf die Pritsche zu und blieb neben ihr stehen. Er senkte seinen Oberkörper. Suko sah das Schimmern der etwas helleren Gesichtsfläche, die trotz allem konturenlos wirkte, als wären keine Organe vorhanden. »Tu dies nie wieder, Chinese. Versuche nicht, uns mit diesen komischen Vorschlägen zu kommen.«
»Die sind nicht komisch!« widersprach Suko. »Wann wollt ihr das endlich begreifen?«
»Nie wieder, hörst du?« Der Mann in Grau richtete sich auf. Er nickte dabei seinem Kumpan zu, der dorthin ging, wo sich die Schatten am meisten verdichteten.
Suko sah nicht, was er tat, dafür hörte er es eine Sekunde später.
Über ihm entstand das Knacken, und gleichzeitig senkte sich das Messer wieder ein paar Zentimeter auf ihn zu…
***
Der Wind trug uns davon!
Dabei berührten die Hufe des Tieres den Boden, aber das bekam ich kaum mit.
Ich hockte auf seinem Rücken, hatte mich vorgebeugt, die Arme ausgestreckt und umklammerte mit beiden Händen das prächtige Geweih des Hirschen. Es gab mir genau den Halt, den ich als ungeübter Reiter brauchte.
Vorbei wischte die Landschaft wie bei einer raschen Autobahnfahrt. Bäume und Büsche verschmolzen zu langen Schatten, die eine nicht enden wollende Wand bildeten.
Die Hufe klopften auf den Boden, der Wind war warm und prall gefüllt mit den geheimnisvollen Geräuschen, die ich von meinen früheren Besuchen her in Aibon kannte.
Da lag ständig ein Raunen, ein Singen in der Luft, als würden Mensch, Tier und Pflanze sich zu einem Dreiergesang vereinigen und ihre Melodie gegen den Himmel summen.
Einmal ritten wir bergauf. Nun erst kam mir richtig zu Bewußtsein, daß wir uns einem anderen Gebiet näherten. Zudem wurden die vorbeihuschenden Schatten dunkler. Ein Zeichen dafür, daß der Wald dichter geworden war.
Dann erreichten wir das Ziel. Vor wenigen Augenblicken noch waren Blätter wie feine Fingerkuppen durch mein Gesicht gestreift, dann war alles vorbei.
Niemand berührte mich mehr. Mein Reittier hatte angehalten, ohne daß ich durch irgendeinen Druck den Befehl dazu gegeben hätte. Und wir standen mitten auf der Lichtung. Da erkannte ich, daß der Himmel seine Farbe verloren hatte und die Dämmerung sich über den gewaltigen Kontinent zwischen Himmel und Hölle schob.
In Aibon wurde es allmählich Nacht…
Eine Zeit, wo diejenigen erwachten, die am Tag geruht hatten. Geheimnisvolle Wesen, Märchengestalten wie Feen, Trolle und Elfen, die mit ihrem wundersamen Gesang durch die noch intakte Natur glitten.
Das alles erwartete ich von einer Nacht in Aibon und wurde enttäuscht, denn der Platz, auf dem wir zum Stehen gekommen waren, lag in einer nahezu absoluten Ruhe.
Nicht einmal ein Windhauch ließ die Blätter zittern oder streichelte unser Gesicht. Nur im hohen, saftigen Gras raschelte es hin und wieder, als würden sich irgendwelche Tiere nicht sichtbar für mich dicht über dem Boden dahinschieben.
Meine treue Begleiterin Perlhaut hatte ich auf der schnellen Reise nicht wahrgenommen, aber sie hatte mich nicht im Stich gelassen, denn ich sah sie vor mir.
Meine Kopfhöhe war ihr Lieblingsplatz, so konnten wir uns bei der »Unterhaltung« anschauen. Bei den herrschenden Lichtverhältnissen konnte ich sie besser erkennen, als am Tage, denn vor dem immer grauer werdenden Hintergrund zeichnete sich das Geistwesen deutlicher ab.
»Wir sind da!« klang es in meinem
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