Der Wüstenpalast
1. KAPITEL
Der üppige Luxus des Al-Kabibi-Flughafens überwältigte Bethany geradezu. Erstaunt ließ sie den Blick über die endlosen, marmorglänzenden Fußböden, die riesigen Kristallleuchter und die Überfülle an Goldverzierungen schweifen.
“Ziemlich eindrucksvoll, stimmt’s?”, meinte Ed Lancaster, der gemeinsam mit Bethany in der sich nur langsam vorwärts bewegenden Schlange vor der Passkontrolle stand. “Und dabei gab’s vor fünf Jahren hier nichts weiter als ein paar Betonhütten und weit und breit nur Sanddünen! König Azmir ließ zwar das Öl fördern, häufte die Profite daraus jedoch bloß an. Seine Knauserigkeit erregte viel Unmut, und das nicht nur bei den Einheimischen, sondern auch bei den Fremdarbeitern. Die Arbeitsbedingungen waren früher ganz schön primitiv.”
Der amerikanische Geschäftsmann war beim Zwischenstopp in Dubai zugestiegen. Seitdem hatte er nicht einmal für eine halbe Minute zu reden aufgehört, doch Bethany war sogar recht dankbar für die Ablenkung gewesen. Denn hätte ihr Fachbereichsleiter an der Universität nicht darauf bestanden, dass sie ihre Forschungen ausgerechnet auf diesen Teil des Mittleren Ostens konzentrierte, hätte sie nichts auf der Welt dazu gebracht, auch nur einen Fuß in das Emirat von Datar zu setzen!
“Als König Azmir krank wurde, übernahm der Kronprinz Razul die Regierungsgeschäfte”, plauderte Ed munter weiter. Dass Bethany plötzlich erstarrte und blass wurde, entging ihm völlig. “Und der ist ein ganz anderes Kaliber. Die Modernisierung von fünfzig Jahren hat er in gerade mal fünf Jahren vollendet. Ein erstaunlicher Mann. Er hat die gesamte Gesellschaft Datars verändert …”
Bethanys schönes Gesicht unter der roten Lockenmähne war eisig geworden, und ihre grünen Augen hart.
Auf einmal wünschte sie, dass Ed den Mund hielt. Von Prinz Razul al Rashidai Harun wollte sie nichts hören.
“Und die Leute vergöttern ihn. Razul ist für sie eine Art Nationalheld. Sie nennen ihn
Schwert der Wahrheit.
Wenn man das Wort Demokratie erwähnt, werden sie sogar richtig böse”, meinte Ed. “Dann fangen sie an, davon zu erzählen, wie er sie während des Rebellenaufstands vor dem Bürgerkrieg bewahrt hat, wie er das Oberkommando über die Armee übernommen hat und so weiter und so fort. Sie haben sogar einen Film darüber gemacht, so stolz sind sie auf ihn …”
“Ja, vermutlich”, erwiderte Bethany, und ein stechend bitterer Schmerz durchzuckte sie.
“Allerdings”, seufzte Ed mit unverhohlener Bewunderung. “Obwohl diese Verehrung einem manchmal etwas auf die Nerven gehen kann, ist er doch ein Wahnsinnskerl! – Ach, übrigens …” Ed hielt einen Moment inne, um Atem zu schöpfen. “Wer holt Sie eigentlich ab?”
“Niemand”, murmelte Bethany, in der Hoffnung, dass der Monolog über Razul nun vorbei war.
Ed runzelte die Stirn. “Aber Sie reisen allein.”
Bethany unterdrückte ein Stöhnen. Ursprünglich hatte ein Forschungsassistent sie begleiten sollen. Doch wenige Minuten, ehe sie an Bord gehen sollten, war Simon über einen achtlos abgesetzten Aktenkoffer gestürzt, und zwar so schwer, dass er sich den Knöchel gebrochen hatte. Es war Bethany durchaus nicht wohl dabei gewesen, ihn der Obhut der Rettungssanitäter zu überlassen, aber die Arbeit ging natürlich vor.
“Weshalb sollte ich denn nicht allein reisen?”
“Wie, um alles in der Welt, haben Sie denn Ihr Visum bekommen?”, fragte Ed, der plötzlich sehr ernst dreinschaute.
“Auf dem üblichen Weg … Wieso? Was ist denn los?”
“Vielleicht ja gar nichts.” Mit einem seltsam unbehaglichen Ausdruck zuckte Ed die Achseln, wich Bethanys fragendem Blick dabei jedoch aus. “Möchten Sie, dass ich lieber bei Ihnen bleibe, falls es Probleme geben sollte?”
“Nein, natürlich nicht. Ich wüsste auch überhaupt nicht, warum es ein Problem geben sollte”, gab Bethany trocken zurück.
Aber es gab tatsächlich Schwierigkeiten.
Ed war gerade mit einem Winken weitergegangen, als der Datari-Beamte Bethanys Visum überprüfte und fragte: “Mrs. Simon Tarrant?”
Bethany zog die Augenbrauen zusammen.
“Ihrem Visum zufolge reisen Sie in Begleitung eines Mannes. Wo ist er?”
“Er konnte den Flug leider nicht antreten”, erklärte sie gereizt.
“Sie reisen also allein,
Dr.
Morgan?”, meinte er, zweifelnd die Mundwinkel verzogen, so als traute er ihr diesen akademischen Grad nicht zu.
Dies überraschte Bethany nicht. Mädchen hatten in Datar erst
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