0602 - Brutstätte des Bösen
Sein Blick richtete sich auf Pater Marinus. Mit einem Nicken begann der Abt seine Rede. »Was hast du zu sagen, Bruder? Weshalb hast du sie in diese Hallen gebracht? Du weißt doch, daß es verboten ist. Ich habe angeordnet, keine Fremden mitzubringen. Wir wollen für uns allein sein.«
»Ja, allein!« rief Marinus laut. »Damit wir an der Teufelspest ersticken können. Wie Bruder Michaelis, der hinter uns liegt. Was ist mit ihm geschehen?«
»Er hat nicht geglaubt.«
»Woran – den Teufel?«
»Richtig, Bruder, an den Teufel. Ich habe oft genug gewarnt, aber viele haben meine Warnungen mißachtet. Ich wußte, daß unsere Ahnen, die hier Unterschlupf suchten, den Dämon nicht vernichten konnten. Er hat das Kreuz besiegen können, aber meine Brüder taten es als Aberglauben ab. Sie haben sich geirrt.«
»Und du?«
»Ich weiß Bescheid.«
Marinus nickte. »Ja, du weißt Bescheid und hast trotzdem auf die Hilfe derjenigen verzichtet, die auch Bescheid wissen. Da komme ich nicht mit. Weshalb hast du mich nicht ins Vertrauen gezogen? Weshalb nicht, Bruder Rudolfo?«
»Ihr seid zu schwach gewesen.«
»Und du bist stark genug?«
»Ich habe mich mit der Hölle beschäftigt. Ich weiß, daß das Siegel gebrochen und das Tor nun offen ist. Der Geist des Dämons ist befreit worden und irrt durch die Mauern.«
»Hast du ihn gesehen?«
»Spürst du ihn nicht?« Er hob seinen Arm und deutete auf Rosa.
»Spürt sie ihn nicht?«
Ihre Furcht steigerte sich noch mehr, als der unheimlich wirkende Abt sie direkt ansprach. Wir alle hörten ihren keuchenden Atem, der in die Antwort hineinfloß. »Si, ich spüre es. Ich merkte das Grauen, das sich befreit hat und einen Körper sucht. Ich habe gelitten, ich habe Blut gespien, ich habe gebetet, ich konnte mich noch befreien…«
»Nein!« erklärte der Abt mit lauter Stimme. »Du hast dich nicht befreien können, denn du bist sein irdisches Gastgeschenk. Erinnere dich daran, daß du es gewesen bist, die das Höllentor öffnete. Es ist deine Schuld, daß der Geist befreit wurde.«
»Ich soll…?«
»Ja, du, weil du etwas Besonderes bist. Er hat ein Medium gesucht, eine sensitive Seele. Dich, Rosa, hat man damit ausgerüstet, du bist der Träger des Teufels.« Er hob seine Stimme an. Sie veränderte sich fast zu einem Kreischen. »Der Dämon steckt in dir, Rosa, und nicht in einem von uns. Du allein bist der Botschafter des Schreckens und in dieses Kloster gekommen, um es dem Satan zu weihen.«
»Nein!« schrie sie. »Das stimmt doch nicht!«
Der Abt ging noch einen Schritt vor. So erinnerte er an eine Schauergestalt aus einem Horrorfilm. »Du bist es gewesen, Rosa, und keine andere. Das wollte ich dir sagen, und deshalb wirst du auch die Folgen tragen. Nicht ohne Grund…« Seine weiteren Worte kippten ab in ein unverständliches Gemurmel, aber er war noch nicht aus dem Rennen. Aus seiner Kutte holte er etwas hervor.
Es war das Kreuz!
»John!« rief Glenda. »Das ist…!«
»Stirb!« brüllte der Abt und schleuderte die Waffe, die zur Schlange werden konnte…
***
Ich war es gewohnt, schnell zu handeln. In diesen furchtbaren Augenblicken war auch ich zu langsam, jeder wäre zu langsam gewesen, und ich erlebte das furchtbare Geschehen mit wie ein Statist am Rande des Drehbereichs.
Die Mischung aus Kreuz und Dolch, die es damals nicht geschafft hatte, den Dämon zu vernichten, war ungemein hart und zielsicher geschleudert worden. Sie hätte das Mädchen durchbohrt, aber das war Padre Marinus, an den sie sich klammerte.
Und er drehte und schob sich genau in dem Augenblick vor, als der Abt die Waffe schleuderte.
Wir sahen es, wir zuckten zusammen, nur nicht so stark wie der Mönch, dem das Kreuzmesser in die Brust gefahren war. Die Kutte bewegte sich unter dem heftigen Einschlag. Wir hörten ihn röcheln.
Er riß die Arme hoch, während die Beine nachgaben und er schwer nach hinten kippte. Er hätte Rosa unter sich begraben, aber Glenda war schneller und zerrte das Mädchen weg.
Ich mußte mich um den Padre kümmern. Aus dem Hintergrund hörte ich den Abt wild schreien. Mit einem dumpfen Laut fiel Marinus zu Boden, wo er rücklings liegenblieb.
Aus dem Kuttenstoff schaute der Kreuzgriff des Messers, und dieser Anblick trieb den heiligen Zorn in mir hoch. »Du hast ihn getötet, Rudolfo. Dieser Mord geht allein auf dein Konto. Sei dafür verflucht!«
»Das Mädchen!« schrie er. »Rosa ist diejenige, in der der Satan steckt. Sie ist mit der Hölle im Bunde, sonst
Weitere Kostenlose Bücher