0603 - Nächte des Schreckens
scheußlichen Wesen, das sie ebenfalls regelmäßig in ihren Träumen besucht hatte, als sie noch ein Mädchen gewesen war.
Keuchend lief Cindy den dunklen Korridor hinab, verfolgt von den fleischgewordenen Alpträumen ihrer Jugend.
Sie hörte das Rauschen ihres eigenen aufgepeitschten Blutes überlaut in den Ohren. Panisch rannte sie weiter, rannte so schnell, wie sie nur konnte. Vorbei an geschlossenen Türen und Quergängen, die zu weiteren Zimmern führten.
Dann, so plötzlich, als käme sie aus dem Nichts, tauchte eine weitere Gestalt vor Cindy auf. Auf einmal war sie da, versperrte der jungen Frau den Weg.
Ein Mann in einem eleganten Anzug, mit Zylinder, Spazierstock und dunkler Brille. Man hätte ihn für einen ehrwürdigen englischen Gentleman halten können.
Doch wie elektrisiert standen seine weißen Haare zu allen Seiten vom Kopf ab, und man erkannte die abgrundtiefe Bösartigkeit, die in seinen Zügen lag.
Mr. Hyde gab sich die Ehre!
Im letzten Moment gelang es Cindy, ihren Lauf zu stoppen, bevor sie mit Hyde zusammenstieß, sie wich vor dem Monster zurück, stolperte über ihre eigenen Füße und stürzte zu Boden, während sich Mr. Hyde ihr unheilvoll lächelnd näherte.
Panisch krabbelte Cindy von der Gestalt weg, rappelte sich auf und rannte in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war, doch dort kamen ihr Dracula und die Mumie entgegen.
Mit einem gequälten Stöhnen lief Cindy in den Quergang rechts. Eine andere Wahl hatte sie nicht.
Der Quergang war kurz, vielleicht zehn Meter lang. Am Ende befand sich ein Fenster, durch das man die Wipfel der Bäume am Waldrand sehen konnte. Links und rechts jeweils zwei Türen.
Hastig versuchte Cindy, die Türen zu öffnen, rüttelte an den Knäufen, so fest sie konnte. Doch wie es schien, hatte das Glück sie verlassen.
Alle vier Türen waren verriegelt.
Von namenlosem Entsetzen erfüllt wollte Cindy den Rückzug antreten, wollte wieder in den Hauptgang zurücklaufen, doch es war bereits zu spät.
Viel zu spät…
Dracula, Mr. Hyde und die Mumie versperrten ihr den Weg. Wie eine Mauer des Schreckens kamen sie durch den Quergang auf die junge Studentin zu. Unmöglich, an ihnen vorbeizukommen.
Cindy steckte in der Falle.
Bibbernd vor Angst preßte sie sich mit dem Rücken gegen das Fenster, versuchte, sich so klein wie möglich zu machen, während die monströse Schar sich ihr näherte.
Cindy war von Kopf bis Fuß in kaltem Schweiß gebadet, doch sie merkte es nicht einmal. Es spielte keine Rolle.
Nichts spielte mehr eine Rolle.
Nur eine Sache war noch wichtig.
ÜBERLEBEN!
Dann wurde die Tür rechts von Cindy unvermittelt so wuchtig aufgestoßen, daß der Knauf kraftvoll gegen die Wand krachte und ein Loch im Putz hinterließ. Gleichzeitig war erneut das dumpfe, rasselnde Schnauben zu hören, das Cindy vorhin auf dem Korridor vor ihrem Zimmer vernommen hatte, begleitet von den schweren, schleppenden Schritten, und plötzlich wußte sie, was es mit diesen Geräuschen auf sich hatte.
Sie wußte es - und erstarrte vor Todesangst!
Das Monster trat aus dem Zimmer, so massig, daß sein klobiger, viereckiger Schädel fast die Decke berührte, breit wie ein Kleiderschrank.
Und Cindy war augenblicklich klar, daß es kein Entkommen mehr für sie gab.
Nicht vor Frankensteins Monster, dem ultimativen Schrecken ihrer Kindheit. Nicht vor dieser grauenerregenden Kreatur mit dem entstellten Gesicht, den dicken Elektroden in den Schläfen und der hohen Stirn, die von einer Naht aus schwarzem Draht gezierte wurde.
Aber wenn Cindy schon sterben mußte, dann nicht durch die Hand dieser gräßlichen Wesen, die sie aus ihren Alpträumen in die Wirklichkeit verfolgt hatten.
Nein, sie wollte kein Opfer des schrecklichen Monsterquartetts werden. Sie wollte nicht von den Alpträumen, die ihre ganze Kindheit überschattet hatten, verschlungen werden.
Sie trat zurück, nahm drei Schritte Anlauf, atmete tief durch, rannte los…
Und sprang aus dem geschlossenen Fenster!
***
»Neiiiinnn !« brüllte Zamorra entsetzt, als er sah, wie Cindy Warner durch die Fensterscheibe sprang.
Er achtete nicht auf die spitzen, messerscharfen Scherben, die klirrend in den Gang flogen, als er nach vorne sprang, um nach der jungen Frau zu greifen.
Er bekam sie im sprichwörtlichen letzten Augenblick zu fassen.
Keuchend grub er seine Finger in ihren Arm, während er gleichzeitig versuchte, nicht vom Gewicht der Frau aus dem Fenster gezogen zu werden. Er hielt die Studentin
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