0608 - Das Böse kommt
sich gegen die Magie, bildete den Gegenpol.
Ich sah nur das helle Licht und schrumpfte zusammen.
Wieder überlappten sich die Zeiten. Vergangenheit und Gegenwart trafen sich auf magischer Ebene und rissen mich mit hinein in den Strudel. Daß ich rückwärts ging, bekam ich kaum mit. Ich verschwand durch die offene Tür und fühlte mich wie ein winziges Etwas, das durch eine immense Kraft in die schmale Öffnung eines Trichters gezerrt wurde.
Dann war alles anders.
Die Dunkelheit blieb zwar, nur die Umgebung gab es nicht mehr.
Sie hatte gewechselt.
Ich befand mich innerhalb des normalen Hauses, in meiner Welt und starrte auf den Spiegel, mit dem alles begonnen hatte. Vor meiner Brust hing völlig normal das Kreuz, und es kam mir vor, als hätte ich die letzten Ereignisse nur geträumt.
In meinem Kopf summte es leise. Vielleicht durch das Schwindelgefühl, mit dem ich noch zu kämpfen hatte. Es tat mir gut, die Augen zu schließen, und ich blieb sitzen, prall gefüllt mit den Erinnerungen aus einer anderen Zeit.
Dann hörte ich die Stimme. Leise, schüchtern und fragend. »Wo befinden wir uns hier, John?«
Ich ließ die Augen geschlossen und hoffte jetzt, daß es ein Traum sein würde.
Es war keiner.
Femina hatte die ungewöhnliche Reise an meiner Seite mitgemacht und befand sich nun in meiner Zeit…
***
Noch immer gab ich keine Antwort, bis ich ihre Schritte hörte, deren Echos sich mir näherten.
Sehr langsam öffnete ich die Augen und schaute nach vorn, wo ich sie wie eine dunkle, scharf umrissene Silhouette sah. Auf mich wirkte sie wie ein Mensch, der hundert Fragen hatte, sich aber nicht traute, auch nur eine einzige zu stellen.
Sie ging noch weiter, diesmal von mir weg, drehte dabei den Kopf und schaute sich im Zimmer um.
Alles war ihr fremd. Zwischen ihrer und unserer Zeit bestand ein Unterschied wie zwischen dem Tag und der Nacht. Sie strich mit sanften Bewegungen über Möbelstücke hinweg, als wollte sie ausprobieren, ob diese echt waren oder nicht.
Als sie neben dem ihr fremden TV-Apparat stehenblieb, stellte ich die erste Frage: »Was denkst du?«
Femina starrte ins Leere. »Ich… ich weiß nicht, was ich denken soll. Es ist furchtbar fremd, es ist alles so anders. Trotzdem glaube ich, das Haus zu kennen. Ja, ich bin mir sicher. Die Wände strahlen etwas ab, sie atmen. Ich kenne ihren Geruch, und ich weiß genau, was es für mich bedeutet. Es ist das Haus, es muß es sein, aber …«
»Du bist nicht mehr in deiner Zeit.«
Sie senkte den Kopf. Wahrscheinlich dachte sie jetzt darüber nach, was diese Antwort bedeuten sollte.
Man mußte es ihr erklären, dazu wiederum fehlte mir jetzt der Nerv. Ich nahm den Spiegel an mich. Femina hatte ihn bisher noch nicht gesehen.
Als ich ihn zu mir drehte, erschrak sie, hob eine Hand und hielt sie wie schützend vor ihre Augen.
Es brannte noch immer das Licht. Zwar füllte es den Raum nicht völlig aus, war aber intensiv genug, um erkennen zu können, was ich in der Hand hielt.
»Der Spiegel!« keuchte sie. »Du hast den Spiegel. Woher hast du ihn, John?«
»Ich fand ihn hier.«
»Nein, man hat gesagt…« Sie schüttelte den Kopf. »Dann … dann ist er doch nicht zerstört.«
»Wie du siehst, nicht. Kennst du ihn denn?«
»Klar, natürlich. Ich kenne ihn sogar gut. Wirklich sehr gut. Ich… ich habe ihn …« Sie raufte ihre Haare, denn ihr fehlten einfach die richtigen Worte.
»Wem hat er gehört?«
»Mir nicht.«
»Wem dann?«
»Ich verwahrte ihn nur. Er gehörte dem Mann, zu dem ich ging. Es war sein persönlicher Schatz, wie er mir versicherte. Und er hat immer davor gewarnt, ihn in andere Hände zu geben. Kein Falscher sollte oder durfte den Spiegel besitzen.«
»Sag mir bitte seinen Namen, Femina.«
Sie zögerte noch. Den Grund wußte ich nicht. Nachdenklich nagte sie an ihrer Unterlippe, dann rutschte es ihr hervor. »Es war mein Freund, der ihn besaß. Lorenzo, der Mann, zu dem ich hinging, als ich den anderen verließ.«
Wieder hielt ich ein Teil des Bildes in der Hand. Ich mußte es nur zu einem Ganzen zusammenfügen. »Lorenzo also, wie ist es ihm gelungen, an den Spiegel heranzukommen?«
»Das wirst du mir nie glauben!«
»Versuch es trotzdem.«
»Er… er hat ihn geraubt. Und es war gut, daß er es getan hatte.«
Sie ließ sich vorsichtig auf einer Sesselkante nieder. »Es war sehr, sehr gut.«
»Weiter.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein! Ich darf es nicht sagen. Dann wäre ich wirklich eine Verräterin. Ich
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