061 - Der Blutgraf
dich«, stieß Marco Cassandrini heiser hervor. »Ich brauche dich, deine Kraft, dein Leben. Du darfst dich mir nicht verweigern. Als du meine Einladung annahmst, waren wir uns einig. Du wußtest, was diese Nacht uns beiden bringen würde, und bist in meinen Wagen gestiegen. Alles, was ich möchte, willst du auch, Ricarda. Laß uns gemeinsam sterben in einer Liebe, wie du sie noch nie erlebt hast, und laß uns danach auferstehen, für immer vereint. Der Tod wird seinen Schrecken verlieren. Du brauchst ihn nicht mehr zu fürchten, denn ich werde dir ewiges Leben schenken.«
Während er sprach, beugte er sich über sie, und sie spürte seine fahle, kühle Wange an der ihren.
Er hatte gesagt, er wolle sie küssen, und das tat er auch, aber nicht auf den Mund. Er küßte ihre Wange, und sein Kopf senkte sich.
Sie spürte, wie seine Lippen ihren Hals berührten. Sehr sanft, weich wie ein Schwamm. Ein eigenartiger Schauer durchlief Ricarda.
Da war plötzlich etwas Hartes an ihrem Hals. Etwas Hartes, Spitzes! Es kratzte über ihre Haut…
Gleichzeitig knarrte diese Tür wieder irgendwo im Schloß, und das Mädchen riß sich erschrocken los.
»Fürchte dich nicht«, redete Conte Cassandrini auf sie ein. »Die Liebe, die ich dir zu geben vermag, tut nicht weh. Du wirst sie genießen, Ricarda.«
»Wer hat die Tür bewegt?« fragte das rothaarige Mädchen nervös. »Der Wind?«
»Schon möglich. Kümmere dich nicht darum. Vielleicht waren es auch meine Freunde. Wenn du möchtest, mache ich dich später mit ihnen bekannt.«
Eine rauhe Gänsehaut umspannte Ricardas schlanken Körper. »Mir ist es hier nicht geheuer, Marco. Ich kann nicht bleiben. Ich halte diesen ständigen Alpdruck nicht aus.«
»Er wird weichen - nach dem ersten Kuß«, versprach Conte Cassandrini.
Er breitete die Arme aus.
Er sieht aus wie eine riesige Fledermaus! durchzuckte es das bebende Mädchen.
»Komm!« sagte Cassandrini ernst. »Komm in meine Arme!«
Aber davon wollte Ricarda Volonte nichts mehr wissen. Sie bangte um ihr junges Leben. Wenn der Graf in diesem Schloß wirklich mit Freunden wohnte, würden die ihr Gott weiß was antun.
Vielleicht gehörten sie einem Satanszirkel an und brachten dem Teufel Menschenopfer. Diese schrecklichen Gedanken peitschten die Angst des Mädchens immer mehr hoch.
Daß der Graf sie nach Hause fuhr, konnte sie sich aus dem Kopf schlagen. Wenn sie jetzt darauf bestand, zu gehen, würde sie ihn sehr enttäuschen, seine männliche Eitelkeit kränken.
Vielleicht ließ er es zu, daß sie sein Schloß verließ, aber dann würde sie durch die finstere Nacht und durch den dunklen Wald laufen müssen, der das Schloß umgab.
Egal. Einmal würde der Wald zu Ende sein, und sie würde eine Straße erreichen, auf der Autos fuhren. Sie würde eines anhalten und den Fahrer bitten, sie mit in die Stadt zu nehmen.
»Ich gehe!« sagte das Mädchen entschieden.
»Ricarda!« sagte Conte Cassandrini verärgert.
»Tut mir leid, Marco. Ich halte es in deinem Schloß nicht länger aus.«
»Du hast mir Hoffnungen gemacht.«
»Ich weiß, und ich bedaure es. Wir treffen uns morgen wieder, ja? Und dann gehen wir irgendwohin… Nur nicht wieder in dieses Schloß…«
Er nickte bedächtig. »Na schön«, sagte er völlig ruhig.
Das Mädchen musterte ihn verwundert. War es mit seiner rasenden Leidenschaft schon wieder vorbei?
»Aber bevor du gehst, mußt du noch meine Freunde kennenlernen.«
Ricarda wehrte ab. »Sie interessieren mich nicht, Marco. Sie sollen bleiben, wo sie sind.«
»Aber sie brennen darauf, deine Bekanntschaft zu machen. Willst du sie auch vor den Kopf stoßen?«
Conte Cassandrini durchmaß die Halle mit großen Schritten. Wieder vernahm Ricarda dieses Knarren, das ihr durch Mark und Bein ging, und dann hörte sie Marco Cassandrini rufen: »Hier sind sie… meine Freunde!«
Und plötzlich war da ein graues Flattern. Dünnes, geschmeidiges Leder schlug die Luft. Der Graf war eingehüllt in dieses unruhige Zucken, und als er die Arme hochriß, sah es aus, als würde er selbst Flügel ausbreiten.
Er scheuchte das Getier, das ihn in der Luft umtanzte, auf Ricarda Volonte zu, und das Mädchen traute seinen Augen nicht.
Conte Cassandrinis »Freunde« waren Fledermäuse.
Vampire wie er…
***
Wir flogen von Los Angeles nach Washington. Ein harter, erbitterter Kampf gegen den Genie-Wissenschaftler Professor Kuli lag hinter uns.
Atax und Mago hatten in das Geschehen eingegriffen, und es hatte danach
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