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Der Wandler

Der Wandler

Titel: Der Wandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dominik Spreigl
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Nahezu lautlos schwebte das Luftschiff am Himmel. Dann sank es langsam nach unten. Sein Schatten legte sich wie ein riesiges Tuch über die Aussichtsplattform des Empire State Building, die vor langer Zeit schon in eine Anlegestelle für Zeppeline umgebaut worden war. Kurz nachdem das Luftschiff angedockt hatte, öffnete sich die Tür der Fahrgastgondel. Drei Männer traten auf die Plattform. Zwei von ihnen trugen Uniformen, wie man sie von ganz alten Photos her kannte. Als sie näher kamen, konnte man erkennen, dass der Mann in der Mitte nicht wie die anderen war. Womöglich gab es keinen Menschen auf der Welt mit dem er vergleichbar gewesen wäre.

    Er hatte etwas Animalisches an sich. Aus tückischen, großen, leuchtend gelben Augen blickte er sich suchend um. Er war ein Wesen, halb Mensch halb Wolf. Die verschüchterten Mitarbeiter der Anlegestelle suchten bei seinem Anblick das Weite und rannten um ihr Leben. In Sekundenschnelle sprach es sich herum, ein Wandler hatte es gewagt nach Neo New York zu kommen. Und er war nicht allein, er hatte ein ganzes Luftschiff voller Verbündeter mitgebracht.

    War das ein Angriff?

    Was die Anderen nicht wissen konnten, sie waren hier um mich abzuholen, zu retten aus dieser Hölle, zu der meine Heimat Neo NY geworden war. Jetzt musste ich nur noch eine Möglichkeit finden, zu ihnen zu gelangen. Möglichst lebend und in einem Stück.

    Todesangst.
    Bisher war es nur ein Wort für mich, jetzt aber wusste ich, wie es sich anfühlte. Noch nie war ich dem Tod so nahe gewesen. Ich konnte seinen eiskalten Atem im Nacken spüren und seine Worte erklangen verführerisch in meinem Kopf.
    »Bleib doch stehen. Jede Flucht ist zwecklos, lass es einfach sein. Ergib dich deinem Schicksal, es dauert nur eine Sekunde, du wirst es kaum spüren...
    Wo willst du denn hin? Du kannst dich nicht verstecken. Ich werde dich finden. Immer!«
    Der Tod kam in Gestalt jener Person, der ich am meisten vertraut hatte und nun griff sie nach meinem Leben, wollte mich sterben sehen. Doch ohne mich! Ich würde nicht aufgeben. Lebend fangen lassen, das stand nicht zur Debatte, lieber starb ich im Kugelhagel.
    »Verschwinde aus meinem Kopf!«, schrie ich voller Wut und Hass.
    »Sterben sollst du! Ich hoffe sie lassen dich leiden, du dreckige Verräterin!«
    Ein leises, sanftmütiges Lachen erklang.
    »Aber, aber mein Sohn, so redet man doch nicht mit seiner eigenen Mutter.«
    »Du bist nicht meine Mutter, du bist der Teufel. Fahr zur Hölle!«
    »Ach ja? Dann nehme ich aber den Körper deiner Mutter mit, du elender Wurm.«
    Instinktiv presste ich meine Hände auf die Ohren, um die Stimme aus meinem Kopf auszusperren, obwohl ich wusste, dass es zwecklos war.
    Die Stimme war in meinem Kopf!

    Bis zum heutigen Tag hatte ich immer gedacht, ich wäre ein Waisenkind. Ich hätte meine Eltern im Zuge der Apokalypse verloren, die unsere Welt zerstörte, aber das hatte sich vor kurzem als Irrtum herausgestellt.
    Meine Eltern lebten noch, mehr oder weniger. Der Körper meiner Mutter wurde von einem dieser Dämonen besetzt, die menschliche Körper als ihre Hüllen benützen. Und um meinen Vater war es nicht viel besser bestellt.
    Ich rannte, rannte bis meine Lungen brannten und meine Beine schwer wie Blei waren. Bis ich nicht mehr konnte. Unter einer Brücke suchte ich Schutz, warf mich auf den Boden, den Rücken gegen einen Betonpfeiler gepresst. Schwer atmend und kurz vor dem Zusammenbruch blickte ich mich nervös um. Sie mussten mich schon längst entdeckt haben. Sie wussten, wo ich war und noch viel schlimmer, sie wussten wohin ich wollte.
    Zum Zeppelin!
    Meine einzige Chance, dieses gigantische Gefängnis von Neo NY lebend zu verlassen. Ich verrenkte meinen Kopf und blickte vorsichtig um den Pfeiler herum. Vor mir lag noch eine weite Strecke durch fast offenes Gelände, bis zur Anlegestelle der riesigen Luftschiffe. Genug Zeit für meine Verfolger, um mich zu töten.
    »Ich...ich...werd sie einfach nicht los! Egal was ich mache, ich kann sie einfach nicht abhängen! Verflucht, wie kann das sein!?«
    »Ich hab keine Ahnung, vielleicht per Luftüberwachung?«
    Ängstlich blickte ich zum Himmel hinauf, konnte aber nichts entdecken.
    »Oder ...«. Ego beendete den Satz nicht.
    »Oder was?«
    »Es wird dir nicht gefallen.«
    »Raus damit! Ich bin so gut wie tot, wenn ich sie nicht abschütteln kann! Also spucks aus.«
    »Erinnerst du dich noch an die Impfung? Die vor zwei Jahren. Was, wenn sie euch Kindern, keine Ahnung,

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