0614 - Werwolf-Begräbnis
es nicht. Er sollte sein Reich in einem Lokal errichtet haben oder in der Nähe. Jedenfalls mußten wir ein bestimmtes Gebäude finden, über dessen Eingang der breite geöffnete Mund einer Frau an die Hauswand gepinselt worden war.
Und dieses Haus entdeckte Suko auf der rechten Seite. Ich sah die schmale Einfahrt, die wie ein Tunnel zwei Hauswände durchschnitt und wahrscheinlich in einem Hinterhof endete.
Wegen der Sonne hatte ich die Brille mit den dunklen Gläsern aufgesetzt. Die Einfahrt wurde von den Strahlen nicht getroffen. Neben ihr standen drei junge Männer zusammen, eingehüllt in dicke, wattierte Jacken. Als wir die Knaben passierten, schauten sie uns mißtrauisch hinterher, gaben allerdings keinen Kommentar ab.
Die schmale Einfahrt schluckte uns, damit auch der Müll und der Gestank. Wir liefen über Abfälle hinweg. Gemüsereste und altes Obst. Beides gammelte vor sich hin.
Auch hier waren die Wände beschmiert. Diesmal mit anderen Parolen als auf den normalen Hausfronten. Ich las Sätze und Versprechungen, daß irgendwann einmal die Zombies die Macht übernehmen und mit der weißen Brut aufräumen würden.
Voodoo und Zombies gehörten auch heute noch zur Karibik wie das Salz zur Suppe. Das konnte auch die moderne Gesellschaft nicht voneinander trennen.
Die Gasse mündete in einen Hof, bei dessen Anblick die verantwortlichen der Baupolizei sicherlich die Hände über den Kopf zusammengeschlagen hätten.
Da hatte jeder an- und umgebaut, wie er wollte. Die hölzernen homes klebten wie Nester an den Fassaden, waren durch Holztreppen und Feuerleiterstiegen miteinander verbunden und wurden mit Öfen beheizt, deren Qualm durch Kamine abzog.
Ein falscher Funkenflug, einmal nicht achtgegeben, und hier würde ein Großbrand entstehen.
Suko schüttelte den Kopf. »Ein Wahnsinn«, sagte er, »ein wirklicher Wahnsinn.«
»Wieso?«
»Hör auf, John. Wenn hier die richtigen Leute nachschauen, reißen sie alles ab.«
»Kann sein.«
Der Hof war nicht leer. Verkauft wurde hier zwar nicht, aber es standen Müßiggänger herum. Einer von ihnen, er trug Jeans und einen Pullover, stellte sich uns in den Weg. In der rechten Hand hielt er breite Blätter. Damit wedelte er vor unseren Nasen.
»Luft haben wir eigentlich genug, Bruder«, sagte Suko. »Was soll das bedeuten?«
»Ihr sollt essen.«
»Und was?«
»Probiert die Zauberpflanze. Wir haben sie aus dem Dschungel geholt. Sie wird euch berauschen.« Er lachte uns an. »Alles zusammen ein Pfund. Gebt das Geld.«
»Was ist, wenn wir sie essen?«
Der Verkäufer fing an zu tänzeln. »Ihr werdet wegfliegen. Die Pflanze öffnet euch ganz andere Welten. Ihr werdet begeistert sein. Noch bekommt ihr sie günstig, aber bald wird sie teuer, wenn sich erst alles herumgesprochen hat.«
»Werden wir zu anderen Menschen?«
»Ja, Bruder, ja. Nicht nur zu anderen Menschen. Zu Vögeln, zu gewaltigen Geistern, zu Dämonen.« Er spitzte bei dem letzten Wort den Mund und strahlte uns aus seinen großen Augen an.
Ich stellte ihm die nächste Frage. »Ißt Aci die Blätter auch, mein Freund?«
Er ging einen Schritt zurück. Seine Hand mit den Blättern sank nach unten. Wahrscheinlich waren sie völlig harmlos, denn so leicht wurden Fremde nicht in die Geheimnisse eingeweiht. »Was habt ihr mit Aci zu tun, was?«
»Wir wollen ihn sprechen.«
»Ihr – zwei Weiße?«
»Ist das schlimm?«
Er war völlig von der Rolle, als hätten wir etwas Schlimmes getan.
»Aci spricht nicht mit jedem. Er ist etwas Besonderes. Er ist ein Gott, versteht ihr?«
»Kein Mensch?«
»Doch, aber…« Plötzlich verbeugte er sich, wollte wegrennen, aber Suko war schneller.
Wie ein Stück Eisen fiel seine Hand auf die Schulter des Farbigen und riß diesen herum. »Moment noch, Bruder, wir sind noch nicht fertig mit dir.«
»Ich aber mit euch.«
»Mag sein. Wo steckt Aci?«
»Er ist nicht hier.«
»Weshalb lügst du?«
»Weil ich es gut mit dir meine, Bruder. Du bist kein Weißer. Gib dich nicht mit ihnen ab.«
»Wir wollen zu Aci.«
»Geht dorthin, wo das Colaschild steht.« Er gab die Antwort schnell und flüsternd. Wahrscheinlich fürchtete er sich davor, gehört zu werden. Dann hielt ihn nichts mehr. Mit langen Sprüngen tauchte er in die Einfahrt und war verschwunden.
»Na bitte«, sagte Suko, »da wären wir ja schon einen großen Schritt weiter. Man darf nur nicht lockerlassen.«
Ich hörte kaum hin, sondern schaute mich verstohlen um. Okay, offene Feindschaft brachte man uns
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