0614 - Werwolf-Begräbnis
nicht entgegen, aber wir wurden beobachtet. Mehr oder weniger versteckt, heimlich und mit Blicken, die uns nicht eben freundlich gesonnen waren.
Das Cola-Blechschild hatte ich schon gesehen. Es lehnte neben der Tür eines barackenähnlichen, völlig normalen Steinanbaus. Dieser Anbau sah mir aus, als wäre er eine Kneipe. Er besaß auch Scheiben.
Allerdings waren die Fenster bis zur Hälfte mit weißer Farbe beschmiert. Wenn wir hineinschauen wollten, mußten wir uns auf die Zehenspitzen stellen.
Ich steuerte den Eingang an und schaute auf die Blechtür mit dem grauen Anstrich.
Als ich sie aufstieß, sah ich mich einem schmutzigen Vorhang gegenüber und hörte leise Musik.
Sie klang für meine Ohren fremd, da sie aus der Karibik stammte.
Eine Band oder eine Kapelle entdeckte ich nicht. Die Musik kam vom Band, aber wir hatten hinter dem Vorhang eine andere Welt betreten, die kein Mensch hier vermuten konnte.
Nicht nur die dumpfe Wärme erinnerte an die Tropen, auch die Dekoration paßte in den Rahmen. Die Stühle und Tische bestanden aus Rattan, aus mehreren kleinen Garteninseln wuchsen Kokospalmen und breiteten ihr fächerartiges Dach unter der Decke raus.
Auf einer kleinen Fläche, über die helles Licht fiel, tanzten zwei leichtbekleidete Mädchen in sehr dünnen Kostümen. Die Tänzerinnen besaßen erstklassige Figuren und bewegten sich schlangengleich.
Ein mir unbekannter Duft schwängerte die Luft, der sich beim Einatmen schwer auf die Lungen legte.
Kaum waren wir zu sehen, da drehten sich die Gäste an der halbrunden Bar langsam um. Das Licht der Spotlights warf Reflexe über ihre dunkelhäutigen Gesichter.
Diese Leute waren nicht winterlich angezogen. Sie trugen enge Hosen und weite Hemden, deren Stoff seidig schimmerte. An den Wänden hingen Masken oder Abbilder irgendwelcher Götzen. Manche davon angestrahlt, andere wiederum blieben im Halbdunkel versteckt.
Unter der Decke drehte sich noch ein Ventilator, ohne allerdings Luft zu bringen.
Langsam schlenderten wir in Richtung Bar. Die beiden Tänzerinnen kümmerten sich nicht um uns und bewegten sich weiter. Niemand sprach, die Gäste schauten nur, und auch der Keeper, ein Mann mit sehr dunkler Haut und einem weißem Hemd bekleidet, das einen Teil seiner Brust freiließ, sagte kein einziges Wort und ließ uns kommen.
Wir blieben stehen und legten unsere Hände auf den Handlauf aus Bambus. Suko übernahm wieder das Reden. »Wir sind gekommen, um mit Aci zu sprechen, Bruder.«
Obwohl die Musik spielte, hatten wir beide das Gefühl, es wäre eine Totenstille eingetreten.
»Was willst du trinken, Bruder?« Der Keeper fragte es flüsternd und mit einem warnenden Blick in den Augen. Um mich kümmerte er sich nicht.
Suko trommelte leicht mit den Fingerspitzen auf die Tresenplatte.
»Nichts, Bruder, gar nichts. Wir wollen Aci sprechen.«
»Es ist noch sehr früh…«
»Wissen wir.«
»Er darf nicht gestört werden, denn er meditiert.«
Suko lächelte freundlich. »Hast du das zu bestimmen, Bruder?«
»Wir alle.« Mit dieser Antwort machte uns der Keeper klar, daß er nicht alleinstand.
»Ach so, dann seid ihr die Aufpasser.«
»Ja, wir wachen über ihn. Wir wollen keine Fremden, vor allen Dingen keine Weißen.«
»Wo finde ich ihn?«
Während sich Suko mit dem Keeper unterhielt, schielte ich nach links, wo die drei Typen eine Haltung eingenommen hatten, die mir überhaupt nicht gefiel. Das roch nach Gewalt… Dann kamen sie – und schauten in die Mündung meiner Beretta, die ich glatt, routiniert und sicher hervorgeholt hatte. »Ganz ruhig, Freunde, ich mag so etwas nicht. Nicht, daß euch später der kalte Wind durch den Körper pfeift, wenn ihr euch noch bewegen könnt.«
»Damit hast du nicht gewonnen!«
»Was heißt gewinnen?« Ich schaute den Sprecher an. Er hatte sich goldene Ringe in die Ohrläppchen geklemmt. Seine Nase sah abartig häßlich aus. »Wir wollen nur über gewisse Probleme mit ihm reden, das ist alles.«
»Wir haben hier unsere Welt.«
»Aber ihr lebt in London. Da gelten nun mal andere Gesetze. Und wir vertreten sie.«
Er dachte über meine Worte nach, bis er begriff, was ich meinte.
»Polizei?«
»Scotland Yard, Freund.«
»Sag nicht Freund, Weißer.«
»Sorry.« Ich hob die Schultern. »Es konnte keiner wissen, daß du so empfindlich bist.«
Der Keeper hatte unsere Unterhaltung mitbekommen und handelte. Er hatte eingesehen, daß es nichts brachte, wenn er lange um den heißen Brei herumredete.
»Ich werde
Weitere Kostenlose Bücher