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0618 - Doktor Wahnsinn

0618 - Doktor Wahnsinn

Titel: 0618 - Doktor Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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auch leere Fächer waren für gewöhnlich verschlossen. Und für gewöhnlich lag der Diensthabende auch nicht kopflos und tot herum, sondern saß an seinem Arbeitstisch -meist däumchendrehend. Denn die ›Verwaltung‹ der Toten war wirklich keine zeitraubende Schwerarbeit. Im Grunde saß der Mann nur hier, um Leichen entgegenzunehmen, einzulagern, zu katalogisieren, auf Wunsch vorzuführen und schließlich wieder herauszugeben, wenn sie obduziert oder bestattet werden sollten.
    Bei menschlichen Leichen ging das meist sehr schnell vonstatten. Die Nichtmenschlichen waren zu Dauerkunden geworden.
    Natürlich hatte der Mann hier auch noch eine weitere Aufgabe: Protokollieren, wer sich wann für welchen Leichnam interessierte.
    Dafür, daß keiner unbefugt hereinkam und keiner eine Leiche klaute, war der Mann draußen vor der Sicherheitstür.
    Der wurde auch besser bezahlt und hatte das Recht, eine Waffe zu tragen.
    Der Mann hier drinnen hatte keine Waffe getragen.
    Diaz hatte plötzlich das düstere Gefühl, daß sie dem Mann auch nichts genützt hätte.
    Er trat an die offene Kühlfachtür. Draußen steckte eine kleine Karte in der Halterung. Einlieferungsdatum, Registrierzeichen und Name.
    Diaz las: Galworthy, Brian
    Und gab - endlich - Alarm.
    ***
    Phantomschmerz:
    Du spürst ihn. Es ist auch nicht das, was man normalerweise unter ›Phantomschmerzen‹ versteht. Zum Beispiel fühlst du da genau, daß dein amputiertes Bein weh tut, obgleich es schon längst nicht mehr zu deinem Körper gehört, schon längst nicht mehr existiert.
    Hier aber war es eben anders.
    Du spürst den Schmerz von etwas, das existierte und zerstört worden ist. Etwas, das zu dir zu gehören schien, obgleich es nicht dein sein kann. Denn…
    Oder etwa doch?
    Du bist dir nicht sicher.
    Aber es fällt dir auch schwer, darüber nachzudenken. Denn du bist tot. Tote denken nicht. Und du bist nicht mehr das, was du einmal gewesen bist. Du mußt dich erst wieder selbst finden.
    Der Geist siegt über die Materie.
    ***
    Innerhalb weniger Augenblicke wimmelte es in dem Raum von Männern. Niemand fragte, was Dr. Diaz um diese dunkle Stunde hier zu suchen habe - erstens war er Arzt, zweitens Wissenschaftler und drittens in führender Position an dieser Spezialklinik. Viertens hatte er sich vor dem Betreten des Kühl-Raumes ordnungsgemäß identifiziert.
    Bestimmt nicht dagegen derjenige, der hier drinnen den Mann getötet und seinen Kopf zerstört sowie den Leichnam aus dem Kältefach geklaut hatte.
    Erstaunlich und faszinierend, dachte Diaz, wie perfekt das Zusammenspiel dieser Leute ist. Als wären sie ein einheitlicher Organismus, oder Ameisen, von denen jede genau weiß, was sie zu tun hat, um Ordnung im Bau zu halten.
    Kaum jemand sprach. Man verständigte sich durch Blicke. Technisches Gerät rückte an. Infrarotkameras und Radar-Abtastung. Es gab auch noch ein paar weitere Geräte, deren Funktion Diaz unklar waren. Er fragte danach und auch nach dem Grund für die Radar-Abtastung, erhielt jedoch nur ein kühles Lächeln als Antwort.
    Dann trat jemand auf ihn zu, der sich anhand seiner Sichtkarte am Sakko-Revers als Harvey Bennet auswies. Erbesaß eigenartige Augen. Was daran eigenartig war, konnte Diaz nicht einmal sagen. Wenn man genau hinschaute, sahen sie völlig normal aus. Dennoch fröstelte Diaz jedes Mal, wenn ihn der Blick dieses etwa 50jährigen Mannes traf. Röntgenaugen, dachte er, und: Dich hätte ich auch gern mal auf dem Seziertisch. Allein um herauszufinden, was mit deinen Augen nicht stimmt.
    Bennet musterte kurz den Sichtausweis an Diaz' Jacke. »Haben Sie, ehe Sie den Alarm auslösten, vielleicht etwas Besonderes beobachtet, Doktor Diaz?« erkundigte er sich.
    »Wenn Sie darunter einen kopflosen Toten und ein offenes, leeres Kühlfach, in dem eigentlich eine Leiche liegen müßte, nicht als etwas Besonderes ansehen - nicht.« Höchstens dieses Insekt, das ich im Vorraum zertreten habe.
    »Wissen Sie, ob jemand außer Ihnen Interesse an dem Leichnam aus dem Kühlfach gezeigt hat?«
    Diaz schüttelte den Kopf.
    »Sie sind hier, weil Sie eine Autopsie vornehmen wollten?«
    »Ja.«
    »An dem verschwundenen Leichnam?«
    »Ja.«
    Bennet wandte sich wortlos wieder ab. Er fragte nicht nach dem Warum. Diaz fand das seltsam. Er beobachtete den Mann weiter. Er war definitiv nicht der Ermittlungsleiter, aber er schien eine Menge zu sagen zu haben, und jeder hörte auf seine Weisungen - nein, es waren eigentlich keine Weisungen. Er sprach

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