0623 - Odyssee des Grauens
jenen Tagen, in denen das schlaue Bäuerlein mit dem dummen Teufel um die Ernte-Erträge gewettet hatte, waren die Dämonen cleverer geworden und ließen sich selbst bei dem einfachsten Pakt nicht mehr so einfach hereinlegen. Zamorra dagegen hatte nicht das geringste Interesse, sein Seelenheil aufs Spiel zu setzen, nur um aus dieser mörderischen Wasser-Falle lebend herauszukommen.
»Kein Pakt«, sagte der Blaue. »Nur ein Zweckbündnis. Du willst, daß wir danach wieder getrennte Wege gehen? So sei es. Ich verlange nichts von dir, außer daß du mir hilfst, von hier wegzukommen.«
»Du bist ein Dämon. Damit bist du mein Feind.«
»Aber selbst der große Asmodis konnte deinen Grundsatz erschüttern! Ich weiß, daß du ihm hin und wieder hilfst. Warum ihm und nicht mir?«
»Weil er der Hölle den Rücken gekehrt hat. Bei dir glaube ich das nicht.«
»Bist du sicher, daß Asmodis wirklich die Seiten gewechselt hat?« fragte der Dämon spöttisch. »Vielleicht sucht er nur auf diese Weise ungestört nach euren Schwachpunkten, um euch eines Tages mit fürchterlicher Gewalt auszulöschen… Traue niemandem, Zamorra!«
»Ich traue auch dir nicht«, sagte Zamorra.
»Ich bin gewillt, eine Vorleistung zu erbringen«, schlug der Dämon vor.
Zamorra starrte ihn durchdringend an.
Das Wasser reichte ihm jetzt bereits bis zum Knie, und es stieg stetig stärker und schneller an. Schon in wenigen Minuten würde dieser Raum überflutet sein. Dann blieb Zamorra keine Atemluft mehr. Denn die diffundierte durch die Spalten zwischen den Holzbrettern natürlich noch viel leichter als Wasser. Das konnte die Luft mühelos verdrängen. Es würde keine Luftblase geben, in die eingeschlossen Zamorra den Untergang des Schiffes so überstehen konnte wie einst die Bergleute von Lengede die Zerstörung und Verschüttung ihres Bergwerkschachts.
Sollte er nicht doch zustimmen, überleben und hinterher versuchen, aus diesem Pakt wieder herauszukommen?
Die Alternative war, zu ertrinken.
Denn so morsch die moosbewachsenen Balken auch waren - sie hielten seinen bisherigen Versuchen stand, sie aufzubrechen und aus diesem Raum zu entkommen.
»Nun, was ist?« fragte der Dämon.
»Nein«, sagte Zamorra. »Es gibt keinen Handel zwischen uns.«
***
Im nächsten Moment fand er sich an Deck des Schiffes wieder.
Der Dämon kreischte wild auf. Er hatte sich an Zamorra verbrannt, dessen Amulett auf die Berührung sofort reagiert und das grün leuchtende Schutzfeld aufgebaut hatte, nur war es zu spät gekommen, um den Teleport zu verhindern.
»Ich schulde dir nichts!« schrie Zamorra den Dämon sofort an. »Wir haben keinen Pakt miteinander! Ich habe dich nicht gebeten, mich zu retten!«
»Ich weiß!« schrie der Dämon zurück, um etwas leiser fortzufahren: »Sagte ich nicht, daß ich eine Vorlei stung erbringen will? Ich meine es ehrlich mit dir!«
»Solange, wie ich im Vorteil bin, wie?«
»Ja«, gestand der Dämon einfach.
Zamorra war verblüfft. Soviel Ehrlichkeit hatte er unter den Schwarz -blütigen bisher nur bei Asmodis kennengelernt.
Trotzdem traute er diesem Burschen keine Sekunde lang über den Weg.
Immerhin, er befand sich nicht mehr unten im Schiffsbauch bei dem Kapitän und den Leichenresten! Was aber jetzt? Wie vom Schiff kommen? Er konnte dem Dämon kaum abverlangen, ihn einfach über Bord zu werfen; der Schwarzblütige würde eine Erklärung dafür fordern. Und darüber hinaus: Was war mit den anderen Menschen, die Gefangene des Schiffes waren? Und vor allem mit Nicole?
»Was weißt du über den Fluch, der auf diesem Schiff liegt?« fragte Zamorra.
»Das hättest du jenen Dämon fragen müssen, den du getötet hast.«
»Der meinen Fluchtweg durch die Tür blockierte?« fragte Zamorra verblüfft.
»Ja. Liegt das nicht nahe, weil er dieses Schiff ohne Wiederkehr beherrscht?«
»Nahe liegt doch bei euch Dämonen überhaupt nichts«, winkte Zamorra ab, wunderte sich, warum sein Amulett jetzt keinen Schutzschirm mehr gegen den Blauen aufrecht erhielt, und sah sich nach den anderen Schiffsleuten und vor allem nach Nicole um.
Da sah er sie.
Sie kam von der Reling zurück.
Als sie den Dämon sah, machte sie unwillkürlich eine abwehrende Geste. Aber Zamorra beschwichtigte sie.
»Momentan hat Merlins Stern nichts gegen ihn, und deshalb glaube ich, daß wir ein wenig Luft haben. Ich war…«
»Später«, unterbrach sie ihn. »Erzähl's mir später, ja? Man hat mich gefangengesetzt, weil ich den Kapitän suchte, mich an den
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