0310 - Sie starben, wenn er Zeichen gab
Als er mir das haarscharfe Rasiermesser an die Kehle setzte, schloss ich die Augen… aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. Denn ich hörte ein metallisches Klicken, das ich gut kannte.
Ich riss die Augen auf, blickte in den großen Spiegel vor mir, stieß die Hand, die das Rasiermesser hielt, zur Seite und hechtete aus meinem Sessel.
Was ich im Spiegel gesehen hatte, gab mir allen Grund dazu.
Die Eingangstür des Frisörgeschäfts, in dem ich mich befand, war offen. Und auf der Schwelle stand ein kleiner Mann. Er verbarg sein Gesicht hinter einer Strumpfmaske und hielt eine Maschinenpistole in den Händen. In der nächsten Sekunde erfüllte ein misstönendes Rattern den Raum. Flammen zuckten an der Mündung der MP auf.
Der Maskierte streute die Garbe nicht in meine Richtung.
Die Todesboten fanden ein anderes Ziel: einen Mann, der noch immer auf seinem Drehsessel saß und darauf wartete, rasiert zu werden.
Mehr als ein Dutzend Kugeln trafen seinen Rücken.
Dann, noch ehe ich meine Pistole herausgezerrt hatte, war der Spuk vorbei, der Maskierte verschwunden, die Tür wieder geschlossen.
Ich schnellte hoch, zur Tür, riss sie auf.
Ich kam zu spät. Mit aufheulendem Motor schoss ein grauer Plymouth davon und verschwand in einer Querstraße.
Meinen Jaguar hatte ich in einiger Entfernung geparkt. Dorthin zu spurten und dann die Verfolgung aufzunehmen, erschien mir zwecklos.
Also wandte ich mich um und blickte in das Frisörgeschäft.
Hier war es totenstill.
Mit entsetzten Gesichtem standen vier Männer in hellblauen Kitteln herum, hielten Kämme oder Rasiermesser in den Händen und starrten auf den Toten.
Ich nahm das weiße Tuch ab, dessen Zipfel mir ein Frisör in den Hemdkragen gesteckt hatte. Ich wischte mir den Seifenschaum aus dem Gesicht und vom Hals.
Dann trat ich zu dem Toten. Als ich vorhin in den Frisör-Salon gekommen war, um mich rasieren zu lassen, hatte ich den Mann nicht beachtet.
Er lag auf der Seite. Ich beugte mich über ihn und nahm das Handtuch weg, das sich über seinen Kopf geschoben hatte.
Als ich das Gesicht sah, wurde ich starr vor Staunen.
Ich kannte diesen Mann. Jeder Polizist in den Staaten kannte ihn - aus Fahndungsschreiben und von Steckbriefen.
Es war-Tonio Alvaredo, ein Killer, den man zuletzt in Bosten gesehen hatte.
***
Nachdem die Mordkommission erschienen war und ich die nötigen Anweisungen gegeben hatte, verließ ich das Frisörgeschäft. Ich klemmte mich hinter das Steuer meines Jaguar und fuhr zur 52. Straße.
Dort, in dem französischen Restaurant Henri wollte ich unseren Verbindungsmann Erol Silk treffen, einen Spitzel, der sich als Schlepper für Nachtlokale verdingte und über die Vorgänge in der New Yorker Unterwelt gut informiert war.
Silk kam pünktlich, setzte sich an meinen Tisch und erklärte: »Vor drei Tagen ist Tonio Alvaredo im New Orleans Steamship aufgetaucht und hat sich dort nach Rocco Molinaro erkundigt. Molinaro wohnt mit zwei finsteren Typen im Waldorf Astoria. Der eine heißt Todd Polando und ist ein ehemaliger Boxer. Der andere nennt sich Ontario. - Außerdem habe ich erfahren können, dass der Boxer Polando vor einiger Zeit dem Boss der Hafen-Gang, Bob Callenger, ein Angebot machte. Genauer: Polando schlug Callenger im Auftrag eines Unbekannten vor, mehrere Banden zu verschmelzen. Callenger lehnte ab…«
»…und vor kurzem wurde Callengers Leiche gefunden«, vollendete ich.
Der Spitzel nickte und fuhr fort: »Ontario und Polando haben kein Format. Sie sind nur Handlanger. Falls Callengers Ermordung auf das Konto der drei kommt, so kann nur Molinaro der Auftraggeber sein. Wahrscheinlich wurde Callenger ermordet, weil er Polandos Angebot ablehnte.«
»Von wem haben Sie die Informationen?«, fragte ich.
»Von Dennis Queille. Er gehört zu Callengers Gang. Wenn Sie ihn sprechen wollen…Er arbeitet tagsüber auf dem Wallabout Markt, an einem Stand in Halle drei.«
»Okay!« Ich gab dem Spitzel einen Zwanzig-Dollar-Schein, stand auf und griff nach meinem Hut.
»Übrigens: Tonio Alvaredo ist tot.«
»Tot?«
»Ja. Er wurde mit einer MP erschossen,, als er in einem Frisör-Salon saß. Der Täter war maskiert. Ein kleiner, schmächtiger Bursche…«
***
In Mr. Highs Büro hielten wir eine Lagebesprechung ab. Unser Chef meinte: »Jerry, die Informationen, die Sie von Silk bezogen haben, deuten einwandfrei darauf hin, dass Polando den ermordeten Callenger zu einer Zusammenarbeit mit Molinaro bewegen wollte. Die Reaktion auf
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