0642 - Voodoo-Man
beginnen.«
Er verschwendete kein Wort daran, daß er seinen Diener vor wenigen Minuten noch hatte töten wollen. Und Fagan war nicht so dumm, ihn daran zu erinnern.
Statt dessen sank er erneut auf die Knie. »Ja, Herr. Sein Name ist Zamorra. Er ist Europäer…«
Vor seinen Augen nahm die Lehmpuppe langsam die Züge Zamorras an.
***
Der Empfangschef des Ocean View sah Zamorra und Nicole erwartungsvoll entgegen, als sie an der Rezeption stehenblieben.
»Mademoiselle, Monsieur«, sagte er höflich. »Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Wir brauchen nur eine Auskunft«, erwiderte Nicole freundlich. »Es geht um einen Ihrer Pagen. Er ist ungefähr 1,75 m groß, schlank, Mitte zwanzig…«
»William?« entfuhr es dem Empfangschef. »Möchten Sie sich beschweren? Hat er sich Ihnen gegenüber nicht korrekt verhalten?«
»So kann man das auch nennen«, murmelte Zamorra im Hintergrund. Nicole warf ihm einen warnenden Blick zu und wandte sich dann wieder an den älteren Mann hinter der Rezeption.
»Nein, ganz und gar nicht«, flötete sie, beugte sich vor und gewährte ihm wie zufällig einen Blick auf ihre weiblichen Reize. »Sehen Sie, er wollte uns in ein ganz besonderes Lokal zum Essen mitnehmen, dorthin, wo sich normalerweise Touristen nicht hin verirren. Er hat uns sogar die Adresse aufgeschrieben. Aber ich Dummerchen habe sie wohl verlegt.«
»Das passiert häufiger«, warf Zamorra mittlerweile sichtlich amüsiert ein.
Nicole ignorierte ihn und lächelte den Empfangschef an. »Sie wären nicht vielleicht so freundlich…« Sie sah auf das Namensschild, das an seinem Jackett hing, »… Philip, uns liebenswerterweise mit Williams Adresse auszuhelfen?«
In Gedanken knirschte sie mit den Zähnen. Die Rolle des blonden Dummchens fiel ihr nun wirklich nicht leicht. Aber sie sah auch, daß es funktionierte. Philip kam ins Schwitzen als er in ihr Dekolleté peilte.
»Mademoiselle Duval«, sagte er mit belegter Stimme. »Nichts würde ich lieber tun, aber es ist leider in unserem Haus nicht üblich, die Privatadressen der Angestellten herauszugeben. Ich kenne selbst einige hervorragende Restaurants, wo Sie ausgezeichnet speisen können. Und ich bin sicher, Mademoiselle, daß William Verständnis für Ihre kleine Unachtsamkeit haben wird.«
»Aber Sie wissen doch sicher, wo William wohnt?« hakte Nicole nach. Während sie sprach, sondierte sie Philip telepathisch. Sie hatte eigentlich gehofft, ohne Telepathie voranzukommen, weil sie nur ungern in die Gedanken eines anderen Menschen eindrang, wenn kein Notfall vorlag. Aber hier würde sie anders nicht weiterkommen, das war ihr nach seiner Antwort klar. Also fragte sie ihn noch einmal nach der Adresse, weil sie wußte, daß er automatisch daran denken würde, wenn er sie kannte. Und das tat er auch: 42 Anson Road, konnte sie in seinen Gedanken lesen.
»Philip«, sagte sie dann, »vielleicht können Sie uns aber doch noch einen Gefallen erweisen.«
»Selbstverständlich, Mademoiselle, und verzeihen Sie noch einmal meine unnachgiebige Haltung, aber es gibt nun einmal Regeln…«
Nicole winkte ab. »Das verstehen wir. Aber können Sie uns vielleicht sagen, wie wir zur Anson Road kommen?«
Und da verstand Philip, der seit dreißig Jahren hinter der Rezeption stand und immer gedacht hatte, ihn könne nichts mehr erschüttern, die Welt nicht mehr.
***
William Gauthier hatte Angst. Nicht um seinen Job, denn den hatte er nach dem heutigen Nachmittag ohnehin schon abgeschrieben. Nein, er hatte Angst um seine Gesundheit und um sein Leben.
Seine Schicht war schon fast zu Ende gewesen, als Fagan aufgetaucht war. William hatte ihn beinahe nicht wiedererkannt. Da war etwas Lauerndes in den Augen seines ehemaligen Schulkameraden, eine Boshaftigkeit, die er früher nie ausgestrahlt hatte. Und dann seine Bemerkungen über Williams Schwester und das Kind…
Hektisch packte William seine Sachen zusammen und stopfte sie wahllos in einen kleinen Koffer. Er wollte von der Insel verschwinden, so schnell wie möglich. Vielleicht nach Barbados oder Jamaica. Eigentlich war es ihm sogar egal - er wollte nur so weit wie möglich weg von Le Roi Sinistre.
Du kannst vor Voodoo nicht fliehen, sagte eine häßliche kleine Stimme in seinem Kopf. William wußte, daß das stimmte. Sinistre konnte ihn schon längst in seiner Gewalt haben, ohne daß er es ahnte. Fagan mußte nur etwas von ihm besitzen, ein Haar, ein Stück Stoff, das Glas, aus dem er getrunken hatte, während sie
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