0642 - Voodoo-Man
Energie, als er je zuvor gefordert hatte.
»Fagan!«, brüllte er.
Sein Diener öffnete fast sofort die Tür und trat mit gesenktem Kopf ein.
»Herr?« fragte er unterwürfig.
»Du mußt eine neue Ritual-Versammlung einberufen.«
Der Satz allein reichte, um Fagan aufblicken zu lassen. »So kurz nach der letzten? Müssen eure Anhänger nicht erst noch ausruhen?«
Das stimmt natürlich, dachte Sinistre mißmutig. Aber das konnte er seinem Diener selbstverständlich nicht sagen.
»Natürlich erst morgen, du Narr«, herrschte er ihn an. »Laß sie diese Nacht noch schlafen.«
»Verzeiht, Herr.«
Sinistre winkte ab.
»Allerdings«, fügte er dann hinzu, »werden wir dieses Mal etwas anders machen. Es ist an der Zeit, unseren Machtbereich weiter auszudehnen.«
Fagan sah erneut überrascht auf, hütete sich aber, seinen Fehler von eben zu wiederholen.
»Aus diesem Grund werden wir nicht die Energie eines Opfers an die lora weiterleiten. Das stärkt sie nicht genug, um die neuen Aufgaben zu erfüllen. Nein, bei diesem Ritual wird es drei Opfer geben!«
»Drei?« wiederholte Fagan tonlos. Er wußte, daß es den Anhängern fast unmöglich sein würde, drei Opfer gleichzeitig in einen so extremen Trancezustand zu versetzen. Einige von ihnen könnten bei dem Versuch selbst in den Mahlstrom des Rituals gezogen werden und sterben.
Eine leise Stimme in seinem Inneren flüsterte ihm zu, daß Sinistre das nicht besonders stören würde.
Der dunkle König sah die Zweifel im Gesicht seines Dieners.
»Du darfst dir die Opfer selbst aussuchen«, köderte er ihn. »Ich würde vorschlagen, du nimmst ein oder zwei von den Störenfrieden in Bartes, diese Marie Colbert zum Beispiel. Und wenn ich mich richtig erinnere, gab es da doch einen Bauern, der dir seine Felder nicht verkaufen will. Hat er seine Meinung in der Zwischenzeit geändert?«
Fagan schluckte den Köder samt Angelschnur. Er lächelte. »Das wird bald nicht mehr wichtig sein, Herr.«
Sollen doch einige der Anhänger bei dem Versuch sterben, dachte er zynisch. Wo sie herkamen, gab es noch mehr…
Sinistre befahl seinem Diener mit einer Handbewegung, sich zu entfernen. Nach dem Ritual würde er einen weiteren Angriff starten. Die Lebensenergie von drei Opfern sollte reichen, um auch die stärkste Magie zu brechen. Kurz tastete er nach der Quelle dieser Magie, diesem Zamorra. Der war immer noch am gleichen Ort. Gut, dachte der dunkle König. Er weiß also noch nicht, wer hinter ihm her ist.
***
Die Geschichte von Le Roi Sinistre sprudelte nur so aus William hervor. Auf die ihm eigene Art berichtete er von der Ankunft des Haitianers und wie er sich in das Vertrauen der kleinen Dorfbevölkerung geschlichen hatte. Die Veränderung war anfangs schleichend gewesen. Er hatte einmal hier einen guten Rat gegeben, dort einen Tip, war höflich gewesen und hatte nie eine Gegenleistung für seine Hilfe verlangt. Nur manchmal hatte er von seiner besonderen Magie gesprochen, von der jeder ein Teil werden könnte, wenn er nur wollte.
Über zwei Jahre lang hielt er sich in dem Dorf auf, ohne daß es zu einem Zwischenfall kam. Zu diesem Zeitpunkt zog William von Bartes nach King George, daher kannte er den Rest nur aus Briefen, die Marie irgendwie aus dem Dorf herausgeschmuggelt hatte.
Denn eines Morgens kamen die Zombies. Es waren nur vier, aber ihr Anblick versetzte die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Und mitten unter ihnen stand Le Roi Sinistre, der die Dorfbewohner aus ihren Häusern holen ließ und verkündete, er habe von jedem einzelnen von ihnen eine Puppe angefertigt. Zum Beweis zog er eine Puppe aus seiner Tasche und zündete sie mit einem Feuerzeug an. Vor den Augen aller stürzte der Dorfpolizist zu Boden, wand sich in einem unsichtbaren Feuer und starb nur wenige Minuten später. In dem Moment stellte sich auch heraus, daß schon einige der Dorfbewohner zu Sinistre-Anhängern geworden waren. Sie lösten sich aus der Gruppe und traten hinter ihren Herrn.
Seit diesem Morgen war in Bartes alles anders. Einige schlossen sich aus Angst oder Gier Sinistre an, andere verhielten sich neutral, aber niemand wagte es, die Behörden einzuschalten oder gar selbst etwas zu unternehmen. Wie auch? Voodoo wurde auf Saint Lucia kaum praktiziert, daher hatte auch die Polizei keinerlei Erfahrung damit. Und wer würde Sinistre angreifen, wenn die eigene Familie nur einen Nadelstich vom Tod entfernt war?
Zamorra verstand den Teufelskreis, in dem sich die Dorfbewohner befanden.
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