0643 - Das fliegende Grauen
den dunklen Fleck fuhr.
Die Kuppe rutschte dabei, als würde sie über Öl gleiten. In diesem Fall war es leider kein Öl, dafür eine rote Flüssigkeit, die ein Mensch verloren hatte.
Blut…
Ich hielt die Fingerkuppe in den Lampenstrahl und ließ meinen Freund ebenfalls schauen.
Suko schluckte. »Blut, John, verdammt, das ist Blut.«
»Und nicht von uns.«
»Wo steckt Donati?«
Gefunden hatten wir ihn nicht. Es gab auch keine Hinweise darauf, dass er sich weggeschleppt hatte. Dieser Mann musste entweder in der Nähe liegen, oder er war weggebracht worden.
Allmählich wurde mir schon seltsam zumute. So sehr ich die Landschaft mochte, so befremdend wirkte sie jetzt auf mich.
Sogar bedrohlich…
Ich spürte im Hals das Kratzen. Wenn ich Luft holte, schmeckte ich den Staub. Meine Augen brannten, die Lippen waren aufgeraut, das Haar fühlte sich an wie Stroh.
»Was hast du?«, fragte Suko.
»So gut wie nichts, Alter, überhaupt nichts. Ich habe nur den Eindruck, als hätte man uns fürchterlich geleimt. Man weiß Bescheid, glaube ich.«
Suko bewegte seinen Arm und legte den ausgestreckten Zeigefinger auf die Lippen.
Ich verstand das Zeichen. Sekunden später hörte ich ebenfalls die Geräusche.
Es waren Tritte…
Wo sie genau aufklangen, konnte ich nicht feststellen. Die nahen, blanken Felsen verzerrten die Echos, wir fühlten uns beide auf irgendeine Art und Weise eingeschlossen.
Dass es nachts in der Wüste kalt war, bekamen wir am eigenen Leibe zu spüren. Ich schwitzte trotzdem, denn mich überkam eine böse Vorahnung. Sukos Hand lag auf dem Griff der Beretta, meine ebenfalls. Ich wollte die Waffe schon ziehen, als die Schritte verstummten.
Stille kehrte ein.
Wir standen nicht weit vom Jeep entfernt, atmeten kaum hörbar und konzentrierten uns auf die Stille.
Nicht ein Geräusch durchbrach sie. Wer immer da gekommen war, er hielt sich zurück und wartete anscheinend auf unsere Reaktion.
Suko nickte mir zu. »Ich werde mal woanders hingehen. Vielleicht gelange ich in den Rücken…«
»Nein, bleib, wo du bist, Chinese!«
Die Stimme erkannten wir, obwohl sie sich verändert hatte, denn sie gehörte Eric Donati. Er hielt sich noch verborgen. Durch die kahlen Felsen war die Richtung nicht genau zu bestimmen. Sie schwang von überall her, sie trieb uns gleichzeitig einen Schauer über den Rücken, denn aus ihr sprach ein gewisser Hass.
Donati musste verändert sein.
Wir rührten uns nicht, denn beide dachten wir an das Schnellfeuergewehr. So viel wir erkannten, hielt er sich hinter dem Jeep auf. Für ihn eine wunderbare Deckung.
Ich bewegte mich nicht, schielte zur Seite und über die Motorhaube hinweg.
Dann sah ich ihn.
Er schien aus dem dunklen Untergrund zu wachsen. Eine düstere, gespenstische Gestalt, umweht von einer Aura, die ich persönlich nicht einzuordnen wusste.
Fremd, sehr fremd - auch unheimlich. Das war nicht der Eric Donati, wie wir ihn kannten.
Er setzte seine Schritte vorsichtig. Das in Anschlag gehaltene Gewehr warf einen dunklen Schatten.
Der Lauf deutete über die Motorhaube hinweg auf mich.
Dass Donatis Finger am Abzug lag, davon ging ich aus. Sein Gesicht bewegte sich. Er sah aus, als wollte er tief Luft holen, aber über die Lippen drang nur ein Geräusch, das mich an ein Fauchen erinnerte und in meinem Kopf eine Kettenreaktion von Gedanken auslöste.
So fauchten Vampire oder andere Monster. Das hatte ich oft genug erlebt.
Ich wusste um das Risiko, trotzdem sprach ich ihn an. »Was ist los, Donati? Weshalb haben Sie geschossen? Warum sind Sie so verändert? Reden Sie, Mann?«
Er lachte mich an. Leider ein Lachen, das mich störte und mir wieder eine Gänsehaut über den Rücken trieb.
»Reden Sie!«
Die Antwort machte uns nicht eben fröhlich. »Ich will euer Blut!«
So wie er diesen Satz aussprach, gab es keinen Zweifel daran, dass er die Wahrheit sagte. Er wollte unser Blut, er wollte sich davon ernähren, er wollte durch dessen Kraft am Leben bleiben, und da gab es nur eine Möglichkeit.
Er war zu einem Vampir geworden!
»John, der Schatten.«, wisperte Suko. »Verdammt noch mal, das war kein Adler.«
»Bestimmt nicht.«
Ohne es auszusprechen, dachten wir beide das Gleiche. Natürlich an einen Blutsauger, und dafür kam eben nur eine Fledermaus in Frage. Ein Riesentier, das durch die Lüfte segelte und auf der Suche nach dem Blut der Menschen war, um sich daran zu laben.
»Okay, Donati.« Ich sprach sehr ruhig. »Sie wollen unser Blut. Dann kommen Sie
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