0657 - Angst vor dem roten Phantom
Natur genau, dass der Sommer verabschiedet werden sollte.
Vor einem schmalen Tor blieb Mrs. Fahad stehen und wartete, bis wir sie erreicht hatten. Sie deutete auf ein hellbraunes Holzhaus.
»Da könnte er sein.«
»Haben Sie einen Schlüssel?«
»Hier, nehmen Sie.«
Suko schloss das Tor auf. Er war auch als Erster an der Tür und drückte sie auf. Sie war nicht abgeschlossen gewesen.
Ich ging langsamer. Neben mir schritt Mrs. Fahad her. Suko war schnell wieder zurück.
Ich brauchte nur in sein Gesicht zu schauen, um erkennen zu können, dass etwas Schreckliches geschehen war.
»Kannst du mal kommen, John?«
»Gut.«
»He, was ist…?«
»Bitte, Sie nicht, Mrs. Fahad.«
Da wusste ich Bescheid. Meine Befürchtungen wurden noch übertroffen, als ich über die Schwelle trat und in die stickige, blutgeschwängerte Luft hineintauchte.
Der Kollege lag auf einer Liege.
Er war tot.
Getötet mit zahlreichen Stichen eines spitzen Gegenstands…
***
Wir hatten die Kollegen alarmiert. Sie waren gekommen und ein Arzt hatte sich um Mrs. Fahad gekümmert, die nach außen zumindest sehr ruhig geblieben war.
Nach der Spritze war sie fast apathisch geworden, starrte ins Leere und sprach mehr zu sich selbst als zu uns. »Ich habe gewusst, dass es einmal so enden würde.«
»Können Sie reden?«
Sie schaute Suko und mich an. Wir saßen auf drei alten Klappstühlen. Nicht weit entfernt schwammen Seerosen auf einem künstlichen Teich. Der Wind fuhr in unsere Gesichter. Eine friedliche Atmosphäre, trotzdem aber sehr bedrückend.
»Was wollen Sie denn wissen?«
»Wir müssen den Tod Ihres Mannes aufklären, Mrs. Fahad. Wir sollen seinen Mörder finden.«
»Ich weiß.«
»Sind Sie über seine Arbeit informiert worden?«, erkundigte sich Suko. »Wissen Sie, woran er gearbeitet hat?«
Sie schaute auf ihre gefalteten Hände. Die Gesichtsfarbe zeigte einen teigigbleichen Farbschimmer.
»Er redet wenig über seine beruflichen Aufgaben. Schon gar nicht mit mir. Sie verstehen…?«
»Klar. Wie war es mit Andeutungen?«
»Kaum.«
»Aber etwas schon.«
»Sicher.« Sie räusperte sich. »Der letzte Fall hatte etwas mit Zigeunern zu tun. Rico war auch anders als sonst. Der Fall ging ihm viel mehr unter die Haut, wenn Sie verstehen. Er zeigte sich davon persönlich betroffen.«
»Nannte er Gründe?«
Mrs. Fahad schaute Suko an. »Das ist schwer zu sagen. Einmal, als wir allein waren, was selten genug vorkam, hat er von einer alten Rache gesprochen. Von einem schrecklichen Fluch, auch den Begriff Magie verwendete er.«
Ich stellte die nächste Frage. »Hat er Ihnen gegenüber den Begriff Phantom erwähnt? Ein rotes Phantom?«
Mrs. Fahad schluckte. Sie überlegte, bevor sie nickte. »Das hat er in der Tat.«
»Und weiter?«
»Er hatte Angst, wollte aber versuchen, dass dieses rote Phantom gestoppt wurde.«
»Wer war es?«
»Das hat er nicht gesagt. Ein Geist, glaube ich. Es muss etwas Schlimmes passiert sein, dass die Menschen so reagierten.«
»Sprach er mit Ihnen darüber?«
Mrs. Fahad schüttelte den Kopf. »Er war der Meinung, dass es für mich besser wäre, wenn ich nichts wusste. Vielleicht hatte er sogar Recht damit. Wer kann das schon wissen? Jetzt ist er tot. Sie haben auch auf ihn keine Rücksicht genommen.«
»Er beschäftigte sich also mit Sinti und Romas. Wo fuhr er hin? Wir wissen, dass es mehrere Lager in der Umgebung von London gibt.«
»Keine Ahnung, Mr. Sinclair.«
Suko stand auf. »Das müsste herauszufinden sein. Ich kümmere mich darum.«
»Okay.« Ich blieb bei der Frau, die weitersprach, bevor ich eine Frage stellen konnte.
»Wissen Sie, Mr. Sinclair, Rico war ein guter Mensch. Er wollte immer den Ausgleich zwischen den Menschen. Er verabscheute die Gewalt und wollte vermitteln. Oft musste er Rückschläge einstecken. Dass es bis zum Mord kommen würde, hätte ich nicht gedacht. Man wusste ja, dass er Polizist war. So einfach bringt man doch keinen Polizisten um - oder was meinen Sie?«
»Da haben Sie Recht, Mrs. Fahad. Da dies allerdings geschehen ist, muss mehr dahinterstecken.«
»Es ging um Rache«, flüsterte sie tonlos. »Um eine verdammte Rache.«
»Und wer sollte gerächt werden? Hat Ihr Mann darüber mit Ihnen gesprochen?«
»Nein, das nicht. Ich nehme es ihm jetzt noch übel. Er tat sehr geheimnisvoll, war auch bedrückt. Er erwähnte das rote Phantom, diesen alten Zauber. Ich komme da nicht mehr mit. Er hat den Sinti und Roma voll vertraut. Sie waren für ihn keine Fremden
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