0664 - Satan in Weiß
Schweiß von der Stirn wischte.
Sie wedelte mit beiden Händen und fuhr mir vor dem Gesicht herum. Wir saßen zu dritt in einer Reihe. Suko hatte den Platz am Fenster, die Frau den am Gang, ich hockte in der Mitte. Mein Freund konnte nur grinsen, er hatte die meiste Zeit des Flugs verschlafen. Ich war wach geblieben, weil ich nicht unhöflich sein wollte.
Das Flugzeug stand. Es folgte die übliche Durchsage, dann konnten wir aufstehen und in Richtung Ausgang gehen, wo sich - wie üblich - mal wieder alles drängte.
Die Italienerin blieb an meiner Seite. Jetzt erzählte sie mir von zwei großen Kuchen, die sich in ihrem Koffer befanden. Sie hoffte, dass beide Stücke den Flug überstanden hatten.
»Bestimmt nicht so gut wie Sie.«
»Sie sind gemein, Mister.«
»Realist.«
»Meine Tochter, die hier wohnt, wartet auf den Kuchen. Mama backt den besten.«
»Das glaube ich Ihnen sogar.«
»Danke.«
Danach trennten wir uns, und auch am Gepäckband hielt ich mich zurück, überließ es Suko, sich um die Koffer zu kümmern. Die Italienerin brach plötzlich in ein lautes Lamento aus, als sie sehen musste, dass ihr Koffer gekippt ankam.
»Der Kuchen, der Kuchen«, jammerte sie. »Ihr Zerstörer, ihr Kaputtmacher. Ich werde mich beschweren…«
Suko kam mit zwei Koffern. Einen nahm ich ihm ab, dann gingen wir schmunzelnd davon.
Es war abgemacht, dass bei einer der bekannten Firmen ein Leihwagen für uns bereitstand. Um Suko einen Gefallen zu tun, hatten wir einen BMW bestellt.
Die nette Dame setzte ein noch netteres Lächeln auf, als wir sie ansprachen.
»Auf den Namen Sinclair, Sir?«
»Ja.«
»Moment bitte.«
Es ging alles schnell und glatt über die Bühne. Die anderen Fluggäste, für die ebenfalls ein Leihwagen reserviert worden war, waren schon davongefahren.
»So, hier sind die Formulare, die Sie ausfüllen müssen, und dann habe ich noch eine Nachricht für Sie, Mr. Sinclair?«
»Tatsächlich?«
»Ja, bitte.« Die Hand mit den hellrot lackierten Fingernägeln schob mir einen weißen Briefumschlag zu, der zugeklebt war.
»Füll erst mal aus«, sagte Suko, der meine Neugierde kannte. »Nachher wirst du noch schlau genug sein.«
»Ich habe ein komisches Gefühl«, sagte ich während des Schreibens.
»Wann hast du das nicht?«
»Hör auf zu unken.« Schwungvoll setzte ich meine Unterschrift in das Feld, bekam den Schlüssel, den ich sofort an Suko weitergab, der sich die Erklärungen der Frau anhörte, wo wir den Wagen finden konnten.
Ich war etwas zurückgetreten und fing an, den Umschlag aufzuschlitzen.
Auf eine Briefmarke hatte der Absender verzichtet.
Weiß wie der Umschlag war auch der Zettel, der mir entgegenpurzelte.
Nur auf einer Seite war er beschrieben, und zwar mit der Maschine. Ich drehte ihn herum, dachte an nichts Böses, las und verlor von einer Sekunde zur anderen jegliche Farbe aus dem Gesicht. Plötzlich schwankte auch der Boden, selbst die Wand, auf der ein Künstler das Luftbrückenbild gemalt hatte, bekam plötzlich wellenhafte Bewegungen, als wäre sie mit Wasser Übergossen worden. Im Zeitlupentempo sank mein rechter Arm nach unten. Suko, der zugeschaut hatte, war blitzschnell neben mir und fragte scharf: »Was hast du denn?«
»Lies selbst, und lies es laut!«
Er nahm den Zettel entgegen. Er las die Sätze so laut, dass nur er und ich sie verstehen konnten.
»Bin hier in Berlin. Bitte warte die nächste Nachricht ab. Nadine Berger.«
Jetzt wurde auch Suko bleich. Ich hörte ihn atmen. Das Geräusch drang als leises Pfeifen über seine Lippen. Danach räusperte er sich die Kehle frei, um sprechen zu können.
»Ein Bluff, John?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Suko, das ist kein Bluff. Das ist keiner.«
»Okay, gehen wir davon aus. Aber wo sollst du die zweite Nachricht abwarten.«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht muss ich hier stehen bleiben.« Ich ging zwei Schritte zurück, stützte mich ab und merkte nicht einmal, dass ich mich mit der Schulter gegen das Wandgemälde lehnte. Mein Kreislauf war noch immer am Boden.
»Das glaube ich nicht, John. Schau dir das Papier an. Es trägt den Aufdruck des besten Hotels am Platze. Bristol-Hotel Kempinski. Kurfürstendamm.«
Ich reagierte nicht, sondern starrte auf meine Fußspitzen. In der Kehle hing der Kloß wie ein dicker Sandsack.
Suko rüttelte mich an der Schulter. »Verdammt, John, wach endlich auf. Wir müssen was tun.«
»Was denn?«
»Hingehen.«
»Ins Hotel?«
»Ja, zum Henker. Rufe dort an und versuche,
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