0672 - Das teuflische Ultimatum
rechts und Francine zur selben Zeit nach links, so daß sich beide Frauen anschauen konnten.
Francine Joy trug das braunrote Haar mit den hellen Farbschimmern hochgesteckt. Spangen hielten es an verschiedenen Seiten zusammen. Das Gesicht mit den etwas hochstehenden Wangenknochen und dem breiten Mund zeigte einen Anflug von Rouge. Die Augenfarbe konnte Jane nicht deutlich bestimmen. Sie changierte, sah immer gleich aus, und Francine kippte ihre hochgestellte Sonnenbrille vor die Augen.
Unter der offenen und gefütterten Lederjacke trug sie einen lachsfarbenen Kaschmirpullover, der oben am Hals mit einem angedeuteten Rollkragen abschloß.
»Darf ich mir zuvor andere Schuhe anziehen?«
»Bitte, ich warte im Kaminzimmer auf dich. Und noch etwas, komm schnell zurück, es ist wichtig.«
Jane schaute gegen die dunklen Gläser. Dahinter sah sie nichts, aber sie fragte sich, was Francine Joy überhaupt wußte und wieso sie es erfahren hatte.
»Bis gleich«, sagte Jane und ging mit schweren Schritten davon. Sie kam sich in ihren Tretern vor wie jemand, der in den Weltraum geschickt wurde und durch das Tragen von Bleischuhen versuchte, die Schwerelosigkeit zu überwinden.
Jane war die Schlafwandlerin, die Halle ein Stück All. Jane schwebte hindurch, die Gedanken trugen sie fort. Im breiten Lift erst wachte sie wieder auf. Sie hatte automatisch den Knopf zur vierten Etage gedrückt, wo auch ihr Zimmer lag.
Es war überheizt. Für einen Moment öffnete sie die Balkontür und ließ Kälte herein.
Automatisch befreite sie sich von ihrer Skikleidung. Im Bad fand sie auf einem Rost Platz, wo sie auch trocknen konnte. Aus dem Koffer holte Jane einen schwarzen Pullover mit bestickten Blumenmotiven aus Gold. Sie entschied sich für eine helle Hose und Stiefeletten, die auch Schnee aushielten. Automatisch nahm sie den weitgeschnittenen Kaschmirmantel mit. Das helle Gelb des Stoffes leuchtete wie eine allmählich blaß werdende Sonne.
Locker lag der Mantel über dem Arm, als sie das Zimmer verließ. Die Haut brannte leicht von der Sonne, die Lippen brauchten Creme. Das alles war für Jane Collins so unwichtig geworden. Ihre Gedanken galten einzig und allein der Person namens Francine Joy.
Sie war zu ihr gekommen, wie von einem Strahl geleitet. Sie wollte mit ihr reden, und auch Jane war ihretwegen nach Arosa gefahren. Zwei Fremde hatte der Zufall zusammengeführt.
Jane ging aus dem Lift. In der Halle herrschte Hochbetrieb. Es gab zahlreiche Fahrer, die am Mittag ins Hotel einkehrten und dort etwas aßen. In den Hütten war es meist zu voll.
Jane drückte sich an den Urlaubern vorbei. Wortfetzen umschwirrten sie. Die Leute waren high und happy. Das wunderbare Wetter ließ sie alles andere vergessen.
In der Kaminhalle war es ruhiger. Ein älteres Ehepaar saß nahe des flackernden Feuers und trank Kaffee. Francine Joy hatte ihren Platz vor einem der großen Fenster gefunden. Durch die Scheibe konnte sie gegen die schneebedeckten Berge schauen. Der Flügel am Eingang zur kleinen Bar stand verwaist.
Auch Francine trank Kaffee. Sie drehte Jane den Rücken zu. Als sie die Tasse anhob, erkannte die Detektivin, daß die Fingernägel der Frau unterschiedlich lackiert waren. Zumeist in dunklen Farben.
Die hellste zeigte ein Ochsenblutrot.
»Setz dich zu mir.« Sie lud Jane Collins ein, ohne sie überhaupt kommen gehört zu haben.
»Kannst du alles spüren, was in deiner Nähe abläuft?« fragte Jane. Sie wunderte sich darüber, wie locker ihr das Du über die Lippen floß.
»So ähnlich.«
Jane nahm den zweiten Stuhl. Francine saß rechts neben ihr. Beide Frauen schauten auf die prächtige Landschaft und hatten dabei ihre Beine ausgestreckt.
»Ein Traumwetter«, murmelte die TV-Aphrodite.
»In der Tat.«
»Wir haben es verdient.«
Jane hob die Schultern. Hinter dem Nacken verschränkte sie die Hände. »Weshalb hast du mich angesprochen?«
Francine hob die Schultern. »Weißt du, Jane, ich habe dich gespürt. Ja, ich habe gespürt, daß jemand eingetroffen ist, dessen Seele eine gewisse Verwandtschaft zu der meinen aufweist. Wir beiden sind seelenverwandt, Jane.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Doch, denn in dir flackert etwas.«
»Zum Beispiel?«
»Eine Flamme. Eine winzige Flamme. Ich würde sie als das Feuer des Anderssein bezeichnen.«
»Ich schaue mich an und finde, daß ich nicht anders bin als die übrigen Frauen.«
»Vom Äußeren schon, Jane.«
»Und weiter?«
»Aber nicht von deinem Leben, von
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