0674 - Im Höllenloch
Menschen, auch die unzähligen Gerüche vermischten sich zu einem Brei und lasteten schwer auf den Atemwegen der Fremden.
Suko hörte ab und zu, daß englisch gesprochen wurde. Zumeist von schwitzenden Europäern, die sich oft nicht entscheiden konnten, was sie kaufen sollten.
Ein Goldschmied bot Schlangen aus Metall an. Sie waren kunstvoll geformt, angeblich in echter Handarbeit hergestellt worden.
Neben dem Laden öffnete sich eine Lücke. Ein tunnelähnlicher Gang war sehr düster und schien geradewegs in eine Falle für führen.
»Hier müssen wir hinein?«
»So sieht es aus.«
»Du denkst auch an eine Falle?«
»Natürlich.«
Sie gingen trotzdem weiter, standen aber in innerlicher, ständiger Alarmbereitschaft.
Die Geräusche blieben hinter ihnen zurück. Dennoch befanden sie sich nicht allein in diesem Schlauch. Im bröckligen Mauerwerk gab es genügend Nischen und Einschübe, in die sich Menschen hineindrängen konnten.
Licht drang ihnen nicht entgegen. Weiter oben in der Stadt lag eine helle Glocke, als wollte sie als Schein bis gegen den schwarzblauen Himmel reichen.
Aus einem Versteck trat ein Mann. Er hielt eine Laterne fest und bewegte sich schwankend. Mit flüsternder Stimme sprach er Mandra Korab an und deutete auf eine schmale Lücke im Mauerwerk, durch die sich Suko und der Inder schräg bewegen mußten.
»Soll er dort sein?«
Mandra nickte nur. Er folgte dem Mann mit der Laterne. Ihr Schein reichte aus. Sie konnten erkennen, daß sich hinter der schmalen Lücke ein kleiner Hof ausbreitete. Umzingelt war er von Hauswänden, an denen Balkone klebten wie dunkle Schwalbennester. Durch Metallgitter waren sie miteinander verbunden.
Suko gefielen die Balkone nicht. Sie eigneten sich als hervorragende Angriffsplätze. Er holte seine kleine Leuchte aus der Tasche und strahlte einige von ihnen an. Das Licht stach durch die schmalen Gitter. Dahinter bewegte sich nichts.
Einigermaßen beruhigt steckte der Inspektor die Lampe wieder weg. Sie blieben allerdings auf dem Hof. An einer Wand und nur sehr schwer erkennbar zeichnete sich die Gestalt des Zungenandrückers ab. Er hockte dort bewegungslos wie ein Stein und wartete auf die beiden Männer. Der Mann mit der Laterne trat nicht an ihn heran. Er fürchtete sich wohl davor, daß ihr Licht den »Heiligen« blenden konnte. Lautlos zog er sich zurück und verschwand durch eine Tür, wo er die Laterne auslöschte.
»Kein Licht«, wisperte es in englischer Sprache aus der Dunkelheit an der Mauer.
Das überraschte Suko. Dieser seltsame Mensch schien noch mehr zu können.
»Nein, wir bleiben im Dunkeln.«
Nur schwach zeichnete sich das Gesicht des Mannes ab. Rifa trug die Kleidung wie auch in Benares, und er begrüßte Mandra fast wie einen Freund, denn er hob die Arme, um die Hände des Inders umfassen zu können.
»Was hast du uns zu sagen?«
»Ich spüre die Gefahr. Heute -und morgen wird es geschehen. Ein zweiter Buddha ist unterwegs.«
»Aber keiner, der im Namen des Ur-Buddha predigen will?«
»Nein, das nicht. Ein Schrecklicher wird hier erscheinen. Ich habe ihn schon gesehen.«
»Ist es der Beinlose?«
»Ja, der Götze. Er will die Macht. Er will das Grab des ersten schänden.«
»Und was hast du damit zu tun?«
»Ich benötige Hilfe.«
»Wofür, wenn ich dich danach fragen darf.«
Rifa hob den Kopf so weit an, daß er in Mandras Gesicht schauen konnte. »Ich bin ein Buddha, ich lehre in seinem Namen, wenn du verstehst. Aber der beinlose Götze will es nicht, er will selbst die Macht ergreifen und eine Zeit der Dunkelheit einleiten.«
Mandra nickte und murmelte. »So ist das also. Dann befinden sich zwei Parteien in der Stadt.«
»Ja, und ich will nicht, daß es zu einem Kampf kommt. Man muß es friedlich lösen. Ich will kein Blutvergießen, keine Tote, aber man ist dabei, mich zu jagen.«
»Wir werden versuchen, dich zu schützen«, sicherte Mandra ihm zu. »Aber auch wir haben einen Grund gehabt, nach Gaya zu kommen. Wir müssen an das Grab des Buddha.«
»Es ist abgesperrt.«
»Das wird uns nicht hindern. Ich habe dir gesagt, daß ich mit einem Gerechten hergereist bin. Ein Gerechter, der ein Erbe Buddhas verwaltet, den Stab.«
Rifa nickte bedächtig. »Ja, ich weiß davon. Es hat ihn einmal gegeben, und nur der, der sich den Mächten der Finsternis entgegenstemmt und aus einem Land des großen Kontinents stammt, ist würdig, ihn auch zu tragen. Dein Freund ist es. Ich erkenne es an seinen Augen. Sie sind nicht falsch, sie
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