0675 - Der falsche Buddha
schleuderte mich gegen die andere Seite und auf die Schachtwand zu.
Die Aufprallwucht war nicht so stark, wie ich es befürchtet hatte, aber groß genug, um mich von den Haar- bis zu den Zehenspitzen durchzuschütteln. Zudem schrammte ich mit der linken Kopfhälfte über das Gestein und scheuerte mir die Haut auf. Auch mein Ohr wurde in Mitleidenschaft gezogen.
Aber ich fiel nicht!
Noch immer hing ich über dem Maul der Bestie. Diesmal allerdings an einem Arm. Er mußte mein gesamtes Gewicht aushalten.
Die Schmerzen durchzuckten ihn wie wütende Schläge. Der Arm konnte jeden Augenblick abgerissen werden, es hätte mich nicht gewundert.
Natürlich hatte ich bei dieser Aktion an Höhe verloren. Mit anderen Worten, ich war der verfluchten Bestie näher gekommen, was sie auch merkte, denn sie traf Anstalten, sich aufzurichten. Für mich sah es aus, als wollte sie ihren starken Schwanz als Stütze oder Sprungbrett nehmen, um sich in die Höhe zu schnellen.
Packte es jetzt zu?
Sie versuchte es, aber sie war nicht lang genug. Die Kiefernhälften klappten noch immer ziemlich tief unter meinen Füßen zusammen.
So etwas wie Wutgebrüll brandete mir entgegen, und die Bestie wurde immer wilder.
Sie hatten es nicht schnell machen wollen, denn sie wollten mich noch mehr in die Enge treiben. Und, verdammt noch mal, das schafften sie auch. Ich bekam eine fürchterliche Angst. Mein Herzschlag raste. Für einen Moment wurde mir auch übel. Schwindel packte mich. Hätte ich auf meinen Füßen gestanden, wäre ich wahrscheinlich umgefallen.
Man ließ mich in Ruhe. Wahrscheinlich wollte man mir die Zeit geben, um mir vor Augen zu führen, wie aussichtslos meine Lage war.
Noch lauerte die Bestie.
Sie war auch jetzt für mich zweitrangig. Ich beobachtete den Schachtrand.
Dort bewegten sich die Kerle. Der mit der Machete führte die Gruppe an und redete auf die anderen ein.
Sie hörten nur zu und nickten. Er deutete hin und wieder auf mich. Seine Machete schwang er über dem Kopf, er vertrieb damit einige Männer, die ihm zu nahe gekommen waren. Dabei redete er mit einer Stimme, aus der ich Wut und Aufregung heraushörte.
Plötzlich blieb er stehen.
Er schaute mich an. Ich hing dicht an der Schachtwand und blickte ebenfalls hoch.
Mein Gesicht war schweißnaß, die Augen weit geöffnet, der Mund verzerrt. Ich wollte ihm etwas sagen, auch um mein Leben bitten, aber dieser Mensch kannte kein Pardon.
Er nickte…
Ein böses Omen, wie ich fand. Dann scheuchte er zwei Männer zurück und ging dorthin, wo die Riemen der linken Seite befestigt waren. Er schaute sie noch einmal an und grinste. Sein Gebiß leuchtete weiß im Feuer.
Er hob die Machete!
In diesem Augenblick schrie ich auf. »Nein, verdammt noch mal! Ihr habt den Falschen! Was macht ihr denn? Laß uns reden! Ich kann euch alles erklären!«
Er hatte wohl zuschlagen wollen, meine kreischende Stimme jedoch störte und irritierte ihn. Verwundert schüttelte er den Kopf.
»Laß es!«
»No!«
Es war möglicherweise eines der wenigen englischen Wörter, die er kannte. Aber es sagte in dieser Lage alles aus. Es würde keinen Kompromiß geben.
Um die richtige Stellung zu erreichen, mußte er noch einen kleinen Schritt vorgehen.
Das tat er auch und hob den rechten Arm mit seiner Waffe. Die Klinge sah aus wie ein schmaler Spiegel, in dessen Fläche sich mein Schicksal widerspiegelte.
Es gab keine Rettung mehr…
Da hörte ich den schrillen Schrei einer Frau!
***
Wenn man an Wunder glaubt und wenn es sie tatsächlich gibt, so erlebte ich ein solches Wunder in den nächsten Sekunden. Der Schrei hatte den Bärtigen abgelenkt. Er drehte den Kopf nach rechts, ohne die Machete fallen zu lassen.
Aus dieser Richtung jagte eine schattenhafte Gestalt hervor. Sie kam mir vor wie eine bizarre Märchenfigur, und sie schnellte auf den Machetenträger zu, um ihn in den Arm zu fallen. Mit beiden Händen umkrallte sie ihn in Höhe des Ellbogens. Die Frau besaß sogar soviel Kraft, daß sie den starken Mann zurückdrängen konnte und damit weg aus der unmittelbaren Schachtrandnähe.
Ich hatte sie erkannt, obgleich meine Augen in heißen Tränen schwammen. Es war die junge Frau, die mich schon in der Hütte besucht hatte und über deren Kommen ich noch im Zweifel war. Sie hieß Narina, hatte sich mit mir unterhalten und versuchte nun, mir das Leben zu retten.
Die folgenden Minuten waren fast so schlimm wie die letzten. Ich konnte nicht mehr erkennen, was zwischen den beiden
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