0676 - Tanz der Totenfeuer
drehte sich und nahm auf der kalten Bank Platz. Dieser Ort war günstig gewählt, denn von hier hatten wir einen guten Blick über den Sumpf.
Wir mußten über das Geländer schauen und erkannten allmählich die Konturen auf dieser dunklen Insel.
Kleine Erhebungen, Buschgruppen, mal Plätze, wo das Gras dicht wie Haare wuchs, auch das Eis schimmerte an verschiedenen Stellen, und die kleinen Bäume standen da wie krumme Gespensterwesen, die nach irgend etwas greifen wollten, ohne es allerdings einfangen zu können. Dazwischen trieben die dünnen Dunstschwaden, die aus irgendwelchen Löchern hervorgekrochen waren.
Jane hauchte gegen ihre Hände, bevor sie die Handschuhe wieder überstreifte. »Sollte dieser komische Friedhof erst um Mitternacht erwachen, frieren wir hier fest.«
»Du kannst ja umherrutschen.«
»Mal sehen.«
Ein Glas hatten wir nicht mitgenommen, und das wiederum ärgerte mich maßlos. So mußten wir uns allein auf die Augen verlassen, was nicht so gut war, da sie vom langen Starren leicht anfingen zu tränen.
Die Kälte biß. Sie nahm ihren Weg. Es gab nichts, was sie hätte abhalten können.
Ich schaute Jane an. Ihr Gesicht wirkte sehr bleich. Sie zitterte, wollte es aber nicht zugeben.
Wir schauten nur nach vorn. Wenn jemand aus dem Sumpf erschien, dann konnte es nur dort passieren. Der Dunst stieg kaum höher, denn die Luft hielt ihn am Boden.
Als Jane ihre Handflächen über die Oberschenkel schabte, erfaßte auch mich eine gewisse Unruhe.
»Was hast du?«
»Ich weiß nicht, John. Ich spüre, daß etwas nicht stimmt. Ich habe das Gefühl, die Szene ist dabei, sich zu verändern.«
»Ich sehe nichts - sorry.«
»Kannst du auch nicht. Es ist nicht äußerlich bemerkbar. Du mußt es schon im Innern spüren.«
»Und da tut sich etwas?«
»Ja.« Sie räusperte sich. »Wäre der Boden durchsichtig, so würdest auch du die Kräfte sehen können. Sie sind dort aktiviert worden, sie bewegen sich dicht unter der Oberfläche, als wollten sie einen makabren Tanz aufführen.«
»Flammen?«
Sie hob die Schultern. Es hielt sie nichts mehr auf dem Sitz; und sie stand auf. »Ich weiß es nicht. Es können Flammen sein, aber auch Geister, denn ich habe das Gefühl, als wollte man mit mir Kontakt aufnehmen. Sie… sie suchen wieder eine Gleichgesinnte, wenn du das verstehst, was ich damit meine.«
»Das hatten wir schon.«
»Klar, in Arosa. Aber hier ist es anders.« Sie warf mir einen schrägen Blick zu. »John, sei nicht böse, aber ich möchte nicht länger hier oben bleiben.«
»Von dort unten hast du nicht die Übersicht.«
»Trotzdem, es treibt mich zu den anderen.« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Wispern. »Dort unten im Moor, auf dem Hexenfriedhof, wird es sich entscheiden.«
Wenn sie so eindringlich redete, mußte ich ihr einfach glauben und hielt sie nicht mehr auf. Sehr langsam und vorsichtig stieg sie die Sprossen der Leiter hinab.
Auch ich wollte nicht länger auf dem Hochsitz bleiben und nahm denselben Weg.
Die Luft hatte sich noch stärker abgekühlt und schien nur mehr aus Eis zu bestehen. Bei jedem Atemzug wehte ein eisiger Hauch in meine Lungen und füllte sie aus.
Ohne auszurutschen, hatte sie das Ende der primitiven Leiter erreicht und wartete dort auf mich.
Janes Blick flackerte. Die innere Unruhe spiegelte sich dort wider.
»Ich habe das Gefühl, John, daß es schlimm werden kann. Sie will aufs Ganze gehen…«
»Hörst du sie?«
»In meinem Kopf. Es sind ihre Gedanken. Es ist ihr verdammter Wille, der gegen uns…« Sie stoppte, schloß für einen Moment die Augen, ging zur Seite und stieß hervor.
»John, sie ist da!«
»Wo?«
Jane richtete sich wieder auf. Ein scharfer Atemzug entfuhr ihrem Mund. »Schau auf das Moor, John. Sieh genau hin, dann wirst du sie sehen können.«
Sie selbst traute sich nicht. Ich ging einige Schritte vor und bog die Zweige eines starren Buschs zur Seite. Jetzt war die Sicht viel besser.
Vor mir lag der Sumpf mit all seiner freien Fläche und den zahlreichen Schatteninseln.
Starr, eingefroren und wie tot wirkend.
Nur an einer Stelle nicht. Dort bewegte sich etwas und schien aus den dünnen Dunstfahnen hervorzukriechen. Waren es Gestalten? Geister, Gespenster oder Menschen?
Ja, Menschen. Ein Mann, eine Frau.
Francine Joy und Bill Conolly. Die Hexe, die den neuen Weg suchte, hielt unseren Freund umklammert wie ein altes Stück Holz…
***
Was hatte sie aus Bill gemacht!
Selbst aus dieser Entfernung sahen wir, daß er
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