0676 - Tanz der Totenfeuer
müssen die Initiative ergreifen. Das heißt, ich werde es tun.«
»Willst du…?«
»Genau das, John, ich will.«
Bevor ich Einspruch einlegen konnte, ging sie vor. Ich hatte sie durch einen Griff noch zurückhalten wollen, was aber nicht möglich war, weil Jane sich sehr schnell bewegte und - meinen Griff ahnend - auch zur Seite drückte.
Francine Joy hatte uns genau beobachtet. Und sie freute sich lautstark, als sie Jane auf sich zukommen sah. »Ich gratuliere dir, du hast es begriffen. Du weißt endlich, zu wem du gehörst.«
»Das steht noch nicht fest«, erwiderte die Detektivin…
***
Ich befand mich in einer Zwickmühle. Sollte ich bleiben oder ihr in den Sumpf folgen? Noch hatten sich die Totenfeuer nicht bewegt. Daß sie unter Francine Joys Kontrolle standen, war mir klar.
Wahrscheinlich würden sie mich angreifen, wenn ich ging, und so hielt ich mich sicherheitshalber zurück, was nichts mit Feigheit zu tun hatte.
Dafür holte ich mein Kreuz hervor. Allerdings so geschickt, daß die Joy es nicht sah, denn ich wollte meinen Trumpf noch in der Hinterhand behalten.
Die drückende Kälte hatte ich längst vergessen. Mein Interesse galt einzig und allein Jane Collins, die direkt auf Francine Joy zuging.
Bisher hatte sie Bill festgehalten. Sie wollte nicht mehr, ließ den Reporter los, der den Halt verlor und neben ihr zusammensackte. Wie ein altes Bündel blieb er auf dem Boden liegen.
»Hatte ich dir nicht gesagt, Jane, daß wir zusammengehören? Hatte ich dir das nicht gesagt? Aber du wolltest nicht hören. Du bist ja die beste angeblich. Du kennst deinen Weg, du ignorierst die Zeichen. Das hättest du nie tun sollen. So etwas ist gefährlich, kann ins Auge gehen, glaube es mir, meine Liebe.«
»Keine Angst, Francine, ich weiß, was ich tue.«
»Das hoffe ich für dich. Und ich hoffe weiter, daß du weißt, wohin du gehörst. Sei mir dankbar. Ich hätte dich töten können, ich tat es nicht, denn ich weiß, daß in dir die Flamme lodert, auch wenn sie nur sehr klein ist. Du gehörst auf meine Seite, und ich will, daß du dein Leben endlich änderst.«
Jane gab keine Antwort. Ich aber dachte über die Worte nach. Jane und ich kannten uns verflixt lange. Seit Jahren waren wir befreundet; jeder konnte sich auf den anderen verlassen. Ich wußte auch, daß Jane eine schlimme Zeit durchgemacht hatte, als es dem Teufel gelungen war, sie auf seine Seite zu ziehen. Da hatte sie Verbrechen begangen. Es war nicht nur für uns sehr schlimm gewesen, auch für sie im Nachhinein. Daran trug sie schwer, das Schuldgefühl lastete auf ihr. Sie redete selten darüber, wenn doch, dann sehr intensiv.
Dies alles ging mir durch den Kopf, weil ich versuchte, mich in ihre Lage hineinzuversetzen. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, daß sie sich wegen ihres Schuldgefühls opfern würde, um unseren gemeinsamen Freund Bill Conolly freizubekommen.
Natürlich mußte Francine das akzeptieren. Sie würde jubeln, aber sie würde von Jane auch Beweise für ihre Treue verlangen, und das konnte eskalieren.
Diese Gedanken beherrschten Jane Collins nicht. Sie war einzig und allein auf Francine Joy fixiert, wobei sie sich gleichzeitig wunderte, wie normal und sicher sie über den Sumpf schreiten konnte.
Die Kälte hatte nicht nur das Wasser zu Eis werden lassen, sondern auch den Boden steinhart gefroren.
Die weiten Arme der Parabel umschlossen die einsame Detektivin. Sie sah die Flammen, die so bläulich in die Höhe zuckten. Sie sah auch die Geister darin, aber sie merkte keine Wärme. Nicht der geringste Hauch wehte gegen ihr Gesicht.
Hin und wieder konzentrierte sie sich auf die Geister. Gesichtslose Gestalten, unheimlich anzusehen, für einen normalen Menschen. Für Jane nicht. Sie kamen ihr eher traurig vor, als wären sie verlorene Seelen, die endlich auf eine Erlösung warteten.
Die Erlöserin stand da und schaute der Detektivin entgegen. Bill lag direkt neben ihr. Sie hätte nur das Bein zu heben brauchen, um ihn zu treten.
Das tat sie nicht. Statt dessen wartete sie ab und nickte Jane einige Male zu.
»Wir beide werden die Welt aus den Angeln heben, Jane Collins. Das verspreche ich dir. Du kannst dich nicht wehren. Du kommst gegen das, was tief in deiner Seele steckt, nicht an. Du bist wie ich, Jane, verstehst du das? Wie ich!«
Sie schwieg. Jane wollte nichts sagen. Sie wollte auch nicht zugeben, daß sie fror. Ob es an der Kälte lag oder an der Ungewißheit, das wußte sie selbst nicht.
Francine Joys Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher