120 - Der Fluch der stählernen Hände
Der Mann handelte wie unter Zwang. Gebannt starrte er die Stahlhände an, und in seinen Augen glitzerte eine kalte Gier. Mordlust durchpulste ihn, ließ sein Herz schneller schlagen und überschwemmte seinen ganzen Körper. Sie machte ihn halb wahnsinnig. Es war wie ein Rausch, dessen Wirkung erst verebben würde, wenn er getan hatte, wonach es ihn drängte.
Er nahm die Metallhände aus dem Safe. Sie wurden von ihm gehütet wie ein wertvoller Schatz. Diese Hände des Schreckens waren sein ganz großes Geheimnis, hinter das niemand kommen durfte.
Der Hexer Heathcote McShane hatte sie vor langer Zeit für sich angefertigt und mit dämonischem Rauch geweiht.
Heute lebte Heathcote McShane nicht mehr, aber seine gefährlichen Hände gab es noch. Man hatte sie in einem Kriminalmuseum ausgestellt und all die Straftaten aufgeführt, die damit verübt worden waren.
Ellenlang war die Liste gewesen - und der neue Besitzer der Hände des Todes war darangegangen, diese Liste zu verlängern.
Er hatte sie gestohlen. Seither verwahrte er sie wie ein heiliges Relikt im Safe auf, und er holte sie nur heraus, wenn die Zeit wieder einmal gekommen war!
Kein Mensch bekam die Stahlhände zu sehen - abgesehen von den Opfern, doch die konnten hinterher nicht mehr darüber reden.
Die Hände waren hohl, so daß man hineinschlüpfen und sie wie Handschuhe tragen konnte. Wenn man sie trug, kam es zu einer geheimnisvollen Veränderung.
Heathcote McShane erwachte dann zu neuem Leben!
Solange der Mann die Stahlhände trug, war er Heathcote McShane, der Hexer, ein grausamer, gnadenloser Mörder, vor dem niemand sicher war.
Und niemand konnte es verhindern. Sie starben alle auf die gleiche schreckliche Weise.
Jetzt schlüpfte der Mann in die linke Hand. Er schob sie über das Handgelenk und schnallte sie fest. Dann zog er den zweiten Stahlhandschuh an, und nun spürte er es wieder, dieses unbeschreibliche Gefühl, als er zu einem anderen wurde.
Sein Körper straffte sich, und er trat vor den Spiegel, um den Fremden, zu dem er geworden war, zu betrachten. Er bot ein Bild des unheimlichen Schreckens.
Sein Gesicht war seltsam grau, die Augen waren hinter einer dunklen Brille mit runden Gläsern verborgen. Wenn er den breiten Kragen seines weiten schwarzen Mantels hochschlug und den breitkrempigen Hut aufsetzte, würde ihn niemand erkennen.
Darauf legte er großen Wert: Er wollte unerkannt sein blutiges Werk tun. Immer und immer wieder…
Ein böses Grinsen zuckte kurz über sein Gesicht, dann löschte er das Licht und ging hinaus in den Abend.
Heathcote McShane war tot - aber dennoch war der ewig Lebende wieder unterwegs.
Diesmal erstmals in Chicago!
***
Die Stadt erstrahlte im vorweihnachtlichen Glanz. Alle sprachen von der Wirtschaftskrise, doch die Kaufhäuser erzielten auch in diesem Jahr wieder Rekordumsätze. Niemand beklagte sich in dieser Zeit. Das Geschäft florierte.
Auf dem Baby strich am Ufer des Lake Michigan war in diesen Tagen auch mehr los als sonst. Es kamen viele Leute von auswärts - alte Farmer, junge Knechte, die die Gelegenheit nützten und mal über die Stränge schlugen, fernab von der braven, heilen Welt, in der sie lebten.
Einmal im Jahr bekamen sie keine Hausmannskost, sondern ein verdammt gut gewürztes und stark gepfeffertes Gericht serviert, das zwar nicht billig war, das sie aber dennoch mit großem Heißhunger verschlangen. Ohne Reue… Heiß und scharf.
Einmal im Jahr gönnten sie sich dieses Vergnügen, Dann ging es zurück in die Langeweile, und sie mußten ein Jahr auf den nächsten leckeren Happen warten.
Wie ein glitzernder schwarzer Spiegel lag der Michigansee da. Nicht weit vom Babystrich entfernt gab es ein Nobelrestaurant, das einem Mann gehörte, dessen Weste nicht ganz sauber war.
Er hieß Sean Kohner, und er wäre niemals so groß geworden, wenn er es nicht verstanden hätte, sich mit der hiesigen Ehrenwerten Familie zu arrangieren.
Im Klartext hieß das: Kohner hatte einen Partner, der nirgendwo auftrat, einen stillen Teilhaber. Aber wenn dieser stille Teilhaber mal redete und einen Wunsch äußerte, mußte Sean Kohner gehorchen, denn ein Wunsch der Cosa Nostra war gleichzusetzen mit einem Befehl.
Man schätzte bloß das Wort »Befehl« nicht. Es klang zu autoritär. Deshalb sagte man lieber: »Wir möchten, daß du uns einen Gefallen tust.«
Und Sean Kohner wußte, daß er nicht ablehnen konnte, denn in diesem Fall hätten sie ihn um einen Kopf kürzer gemacht. Und wer hängt
Weitere Kostenlose Bücher