0679 - Der Blutbrunnen
schnell auf den Beinen, bewegte sich wie ein Tänzer auf der Bühne und verstand es auch, seinen Säbel zu führen. Die Klinge bewegte sich zuckend, sie zerschnitt die Luft, und durch diese Finten wurde der andere zurückgetrieben.
Für Leroque war dies ein Spaß. Er lachte, während er um den Brunnen herumlief und keinerlei Anstalten traf, sich zu wehren.
Nur die Hand mit dem Messer hatte er ausgestreckt. Mit dieser schmalen Klinge würde er die Säbelhiebe kaum abwehren können.
»Stell dich endlich!«
»Nein, de Valois. Wenn du mich fangen willst, mußt du schon über den Brunnen springen. Dann vermischt sich sein Blut mit dem deinigen. Dich als Opfer wäre etwas Besonderes.«
Das hatte Hector nicht vor. Er haßte diesen Regen aus Blut und wollte nicht aussehen wie jemand…
Seine Gedanken stockten. Aus dem Handgelenk hervor schleuderte er den Säbel gegen Leroque.
Der drehte sich ab. Seine Kutte schlug Wellen. In einer dieser Stoffwellen raste die Klinge hinein und bohrte sich tiefer, bis sie im Körper des Teufelsboten steckenblieb.
Jetzt mußte er fallen, Hector rechnete damit, aber Leroque wankte nur zurück. Er lachte dabei, als wäre ihm nichts geschehen. Dabei steckte die Klinge in seinem Körper und zitterte bei jeder Bewegung nach.
Hector de Valois umrundete den Brunnen. Er beeilte sich, um seinem Gegner den Todesstoß zu versetzen. Kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, als Leroque den Griff der Waffe packte und den Säbel aus seiner Brust zog.
»Das hast du ihn!« brüllte er und rammte die Klinge vor.
Hector de Valois befand sich im Sprung. Es war unmöglich, der Klinge noch zu entgehen. Er drehte sich in der Luft, das war seine einzige Chance. Dem Feind nicht die Brust, sondern die Seite zuzudrehen.
Glühendes Eisen fuhr in seine Hüfte. Der Schmerz rumorte. Der Sprung des mutigen Mannes wurde gestoppt. Hector kam noch auf die Füße, knickte aber ein, taumelte zur Seite und wußte gleichzeitig, daß er einen schweren Fehler gemacht hatte. Dieser Leroque stand mit schwarzmagischen Kräften im Bunde; der Teufel hatte ihm seinen schrecklichen Segen gegeben.
An einer Säule fand Hector Halt. Er umklammerte sie wie einen Rettungsanker. Der Schmerz in seiner Hüfte biß zu wie ein böses Tier. Sogar die Knochen schienen in Flammen zu stehen. Ihm wurde klar, daß der Brunnen einen doppelten Nachschub an Blut bekommen würde, wenn er, Hector, es nicht schaffte, sich aus dieser Lage zu befreien.
Leroque hatte seinen Säbel. Und er genoß es auch. Er stand bereits in der typischen Haltung eines Siegers. Breitbeinig, den Körper leicht vorgebeugt, wippend, als könnte er es nicht erwarten, dem Feind den Todesstoß zu versetzen.
Hector de Valois klammerte sich an der Säule fest. Er merkte genau, daß sein Blut warm und feucht aus der Wunde rann. Sie befand sich an der linken Hüftseite, in die linke Brust würde ihn die Klinge auch treffen, wenn der andere sein Herz erwischen wollte.
Aber Hector de Valois besaß noch einen Trumpf, den letzten in diesem verfluchten Spiel mit den jetzt ungleichen Karten. Der Teufelsbote durfte nur nicht zu früh merken, was er vorhatte, es mußte Hector gelingen, den anderen abzulenken.
Hector bewegte sich an der Säule. Er tat so, als wollte er sie noch stärker umarmen, über seine Lippen drang ein langgezogenes Stöhnen, die Augen zuckten ebenso wie die Haut in seinem Gesicht. Er sackte immer tiefer, obwohl er sich festhielt, und jede seiner Bewegungen begleitete der Teufelsbote mit einem häßlichen Lachen.
»Bald wirst du blutleer sein!« versprach er. »Ich werde dich aufschlitzen und zuschauen, wie dein Blut in den Brunnen rinnt und in den Kreislauf hineingerät.«
»Warum?« keuchte Hector. »Warum tust du das?«
»Für ihn, den Herrscher!«
»Ist es der Teufel?«
»Wer sonst?«
Leroque kam näher. Er ging mit lässigen Schritten, kostete seine Überlegenheit aus.
De Valois mußte sich beeilen. Seine Hand fuhr unter den Mantel.
Er trug eine Weste, darunter ein Hemd mit einer langen Knopfleiste.
Und darunter wiederum…
Mit einem Ruck fetzte er die Knöpfe auf. Er sah sie wegspringen, die Handfläche glitt über die nackte Brust, bis sie plötzlich den Gegenstand zu fassen bekam, den er als seinen letzten Trumpf betrachtete, als die ultimative Waffe.
Sie hing an einer schmalen Kette, und sie war ein Kreuz!
Leroque hatte sich bisher täuschen lassen. Als jedoch die Hand des Verletzten zu stark und intensiv auf Wanderschaft ging, wurde er
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