0679 - Der Blutbrunnen
und geschwächt durch den Blutverlust. Er durfte nicht schlappmachen. Seinem Wunsch, sich hinzulegen, durfte er nicht nachgeben. Erst im Haus würde er Hilfe finden, das mußte er einfach erreichen, und er sah bereits das Licht durch die Fenster schimmern.
Für Hector war es ein Zeichen der Hoffnung.
Wie lange er unterwegs war, konnte er nicht sagen. Irgendwann erreichte er auch das Haus und damit die Tür. Mit letzter Kraft hämmerte er dagegen, dann brach er zusammen. Ihm wurde schwarz vor Augen, die Schwärze verwandelte sich in einen Tunnel, der ihn mitzerrte und einfach schluckte.
Sein Kreuz aber hielt er wie im Krampf umklammert. Und so fand ihn auch die junge Frau.
***
Hector de Valois erwachte in einem Bett. Er lag auf dem Rücken und kehrte nur langsam in die normale Welt zurück. An seiner linken Seite spürte er das Pochen.
Jemand flüsterte in seiner Nähe. Eine Frau war es, die sich an einen Mann wandte, der sogar noch lachte.
»Ja, er hat eine Bärennatur. Er wird wieder auf die Beine kommen, Mademoiselle, das kann ich Euch versprechen.«
»Und was soll ich tun, Herr Doktor?«
»Ihn pflegen.«
»Ja, das werde ich.«
Hector de Valois verzog die Lippen zu einem breiten Lächeln, als er die Unterhaltung hörte. Mademoiselle de Carnais war eine bildhübsche Frau. Er nahm sich vor, ihre Pflege so lange wie möglich in Anspruch zu nehmen.
Der Arzt ging. Seine schweren Schritte verklangen. Auch die Frau verließ das Zimmer.
Allein blieb Hector de Valois zurück. Noch schaffte er es nicht, seine Gedanken zu ordnen, doch er war stolz, den Teufelsboten vertrieben zu haben.
Mit dieser Gewißheit schlief er ein.
Hector de Valois blieb fast zwei Monate im Haus der Mademoiselle de Carnais. Zuerst verwöhnte sie ihn, dann revanchierte er sich.
Und es soll Menschen gegeben haben, die Mademoiselle de Carnais noch nie so glücklich gesehen hatten.
Hector de Valois war eben auf vielen Gebieten perfekt…
***
Meine Güte, hatte ich getankt!
Nicht daß ich total betrunken gewesen wäre, aber ein bis vier Gläser über den Durst hatte ich mir schon gegönnt, und das machte sich natürlich bemerkbar.
Keine Feier ohne Grund!
Wir hatten Grund zu feiern, und es war wie ein Familientreffen, denn Suko hatte seine Irreise durch Indien beendet und dank Buddhas Hilfe die Kraft des Stabes wieder zurückbekommen. Das machte nicht nur ihn glücklich, sondern auch uns, denn Suko hatte uns sehr gefehlt, auch wenn wir das offen nicht zugaben.
Wir – das waren Sir James Powell, Bill Conolly, seine Frau Sheila, Glenda Perkins, Jane Collins und natürlich Sarah Goldwyn, die Horror-Oma, die, wie auch Sir James, an der Schmalseite des langen Tisches saß und mir hin und wieder seinen sehr strengen Blick zuwarf, denn sie hatte als erste erkannt, daß ich nicht mehr ganz nüchtern war.
Ich konnte auch nicht sagen, was an diesem Abend mit mir los war. Vielleicht war es das Wissen darum, Suko endlich wieder als Freund und Kollegen an meiner Seite zu wissen, das mich so hatte über die Stränge schlagen lassen.
Ich hatte an diesem Abend einfach ein Ventil gebraucht. Das sollte mir auch keiner übelnehmen.
Whisky und Bier vertrugen sich nicht so gut. Zudem hatte ich wenig gegessen und wollte eine Runde aussetzen, als Bill Conolly den Ober kommen ließ.
»Für mich nicht«, sagte ich.
Der Reporter lachte. »Schwierigkeiten?«
»Es hält sich noch in Grenzen.«
Sheila, die links neben mir saß, schaute mich fast bedauernd an.
»Ich glaube, daß die Nacht für dich nicht so lang werden wird, John.«
Ich nickte, und es kam mir schwerfällig vor. »Es ist heute nicht mein Tag gewesen.«
Suko grinste mich an. Er meinte aber Sheila. »Indien ist ihm wohl nicht bekommen.«
»Klar, es war heiß.«
»Und jetzt?« fragte Bill den Kellner.
»Ich setze aus und gehe vor die Tür.«
Glenda hatte wieder ihr vorwitziges Mundwerk. »Hick, sagte das Bier, da bin ich wieder.«
»Ha, ha. So weit ist es nicht. Du kannst ja mitkommen.«
»Und dich abschleppen, wie?«
»Wäre doch mal was anderes.«
»Danke, aber keine betrunkenen Männer.«
Ich verzog das Gesicht. »Wie kann man nur so schlecht denken. Du solltest dich schämen.«
»Du nicht?«
Ich winkte ab, stand auf und schob mich mühsam aus der Sitzecke hervor, wobei ich natürlich in die grinsenden Gesichter meiner Freunde schaute. Nur Lady Sarah schüttelte den Kopf. »John, gib nur auf dich acht, mein Junge, sonst nimmt es mit dir noch mal ein schreckliches Ende.«
Ich
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