0679 - Der Blutbrunnen
plötzlich mißtrauisch.
»Was hast du vor?«
De Valois gab ihm die Antwort auf seine Art und Weise. Er hatte den zum Stoß bereiten Säbel bereits aus dem Augenwinkel gesehen und fuhr ihm mit einer Linksdrehung entgegen.
Der andere brüllte auf.
Aus der Hand des Angeschlagenen ragte das Kreuz hervor. Hell, silbern und fast strahlend.
Das Zeichen des Sieges. Das Gute hatte über das Böse gesiegt, das Kreuz war die Erlösung vom Bösen.
Und Laroque brüllte, als stünde sein Körper in Flammen. Er fuhr zurück, sein Gesicht sah plötzlich uralt aus und wirkte unter der Kapuze wie eine Masse aus Schlamm, von der sich nur sein pechschwarzer Bart noch abhob.
Er ließ den Säbel fallen, und eigentlich hätte ihn Hector erwischen müssen, aber da war die verfluchte Verletzung, die ihn daran hinderte, so schnell wie möglich zu reagieren.
Er konnte kaum laufen, er sackte zusammen, fiel auf die Knie, raffte sich wieder auf, hielt aber die Hand mit dem Kreuz vorgestreckt und präsentierte es dem Feind.
Dessen linker Arm schnellte hoch, als wollte er nach der Decke des Pavillons greifen.
Die aber lag zu hoch, um sie erwischen zu können, doch die Bewegung hatte er nicht umsonst durchgeführt.
Etwas jagte aus der Decke nach unten. Gleichzeitig sprühten die gleichen Blitze auch aus dem Handteller des Mannes hervor. Beide trafen sich. Eine Zusammenballung aus böser Energie entstand, in der sich eine stinkende Wolke abzeichnete, die den Mann einen Moment später umgab und ihn verschluckte wie ein gewaltiges Maul.
Dann war er weg!
Hector de Valois stand da, schaute gegen die Fetzen und spürte von seiner Verletzung nichts mehr. Das Unwahrscheinliche war passiert und hielt ihn umklammert.
Es gab keinen Leroque mehr, das war sicher. Nur hatte er ihn nicht vernichten können. Sein großer Meister und Mentor hatte diesen Menschen zu sich geholt.
Als de Valois dies bewußt wurde, spürte er auch wieder die Schmerzen, die als Flut über seine Hüfte strich. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten, aber er wollte seinen Säbel mitnehmen. Ein Mann ohne Waffe taugte nichts.
Schwerfällig bückte er sich und nahm die Klinge an sich. Auf sie konnte er sich noch stützen, wenn er den Park verließ. Sein Blick fiel auf den Brunnen, als er sich drehte, und er zwinkerte für einen Moment mit den Augen.
Er sprudelte nicht mehr.
Das Blut war ins Stocken geraten. Er bekam keinen Nachschub.
Nur im untersten Becken hatten sich noch die Reste gesammelt.
Hector de Valois schüttelte den Kopf. Er wollte es nicht so recht begreifen, aber er mußte sich eingestehen, daß er letztendlich doch einen Erfolg erzielt hatte, denn es war ihm gelungen, den verfluchten Blutbrunnen auszutrocknen.
Als er dies als Gewißheit akzeptiert hatte, fing er an zu lachen. Es war ein lautes, rauhes und triumphierendes Gelächter, das auch den Umkreis des Pavillons verließ und in den Park hineinschallte, wobei es sehr bald von der Finsternis aufgesaugt wurde.
Geschafft!
Er preßte seine Hand auf die Wunde, zog sie wieder zurück und schaute gegen die Fläche.
Sie war naß und rot, und jeder noch so leichte Druck jagte den Schmerz durch die Körpermitte. Was er jetzt brauchte, war ein Verband, zudem Tinkturen oder Kräuter, die dabei halfen, die Wunde zu schließen. Deshalb mußte er zurück zu Mademoiselle de Carnais, die sicherlich auf ihn wartete.
Der als erstes Opfer vorgesehene Mann lag auf der anderen Seite des Brunnens. In seiner Angst hatte er sich auf den Boden gepreßt, nicht darauf achtend, daß durch den Sturz sein Nasenbein gebrochen war und das Blut hervorströmte.
Am Rand zog er sich hoch, wimmerte und bekam große Augen, als er de Valois sah.
»Sire… Ihr habt … Ihr habt ihn …«
»Ja, ich habe ihn vertrieben!« keuchte Hector. »Ich habe ihn verscheucht. Du kannst nach Hause gehen.«
Er ging einfach weiter, und der Gerettete kroch ihm auf Händen und Füßen nach. »Danke, Sire, danke. Wie kann ich Euch dafür nur danken, Sire?«
De Valois gab keine Antwort. Er ging bereits den flachen Hang hinunter und taumelte beim Gehen von einer Seite zur anderen. Es fiel ihm nicht leicht, sich auf den Beinen zu halten. Manchmal prallte er auch gegen die Hecken, die ihm die nötige Stütze gaben und die ihm auch wieder Schwung zum Weitergehen gaben, wenn er sich wieder in Bewegung setzte.
Das Laufen wurde für ihn zur einer Marter. Er stolperte durch die stockfinstere Nacht, das Gesicht verzerrt, wie unter einer schweren Last keuchend
Weitere Kostenlose Bücher