0683 - Die Verdammten der Nacht
frische Baguettes gab. Belegt mit Schinken, Käse und als Garnitur frische Kräuter darüber. Da Jane an diesem Tag fuhr, bestellte ich mir einen kräftigen französischen Landwein. Danach trank ich noch ein herrliches Pils. Die anderen Gäste waren guter Laune. Das wunderschöne Frühlingswetter ließ keinen unbeeindruckt.
Doch – eine Ausnahme gab es.
Das waren wir. Eine richtige Stimmung oder eine normale Unterhaltung wollte nicht aufkommen.
Brenda Evans und ihr angeblich toter Sohn Mike spukten zu sehr durch unsere Gedanken…
***
Und er war es doch! dachte Brenda. Er ist nicht tot. Nein, er ist nicht tot. Mike lebt. So kann man sich einfach nicht irren. Mein Sohn ist noch am Leben.
Sie stand neben ihrem Wagen, schaute gegen die Sonne und merkte kaum, wie Tränen aus den Augen liefen und nasse Spuren auf den Wangen hinterließen.
Es war ihre vertraute Umgebung, ihre normale Welt. Trotzdem kam sie ihr fremd vor.
Fremd und kalt…
Die Sonne schien, aber sie fröstelte. Die Kälte kam von innen, der Magen strahlte sie ab, sie drückte sich hoch und schien sich wie ein Reif auf ihre Lippen zu legen.
Sie bohrte…
Wieder wurden ihre Knie weich, Schatten entstanden vor ihren Augen. Der Wagen stand zum Glück neben ihr. An seinem Dach konnte sie sich abstützen. Die zweite Ohnmacht erreichte Brenda nicht. Es gelang ihr, sich wieder rasch zu fangen, und sie öffnete den Mund, um einige Male tief durchzuatmen.
Die Sonnenbrille lag im Wagen. Sie öffnete die Tür, senkte sich hinter das Lenkrad und hoffte, daß noch kein Lebensmittel hinter ihr verdorben war, denn die Sonne hatte den Fiat aufgeheizt.
Ein dreitüriger Stadtflitzer, mit dem sie auch in kleine Parklücken reinkam.
Brenda setzte die Brille auf. Die Welt bekam Schatten, die sie nicht wollte. Dennoch nahm Brenda die Brille nicht ab. Sie drehte den Zündschlüssel und lauschte dem Klang des Motors nach. Sie empfand ihn als etwas herrlich Normales in dieser doch so anders für sie gewordenen Welt. Vor drei Stunden hatte für Brenda noch alles anders ausgesehen. Da war sie eine normale Frau gewesen, die sich in der Woche einen freien Tag genommen hatte, um Einkäufe zu tätigen.
Sie fuhr an. Der große Parkplatz hatte sich gefüllt. Es gab so gut wie keine freien Flächen. Um diese Zeit kauften viele Berufstätige ein, da quoll der Supermarkt über. Brenda kannte das aus Erfahrung.
Während der Fahrt überlegte sie, wie sie den Abend verbringen sollte. Etwas essen? Im Prinzip ja, aber sie glaubte kaum, daß sie einen Bissen hinunterbekam.
Trinken ja.
Einen kräftigen Schluck. Keinen Schnaps, keine harten Getränke.
Wein aus Burgund, den mochte sie schon allein wegen des intensiven Nachgeschmacks. Ja, das war sicherlich die richtige Methode.
Der Verkehr drängte sich zusammen. Wieder brauchte sie ihre ganze Konzentration und auch dementsprechend lange, um das Ziel zu erreichen. Brenda Evans wohnte in einem zweistöckigen Haus zusammen mit fünf anderen Mietern, die dort Eigentumswohnungen erworben hatten. Zu ihrer zählte ein großes Wohnzimmer, ein kleinerer Schlafraum, ein Bad und eine Loggia, an deren linker Seite sich noch eine Tür befand, die zu einer kleinen Abstellkammer führte.
Sie stoppte in einer Schlange vor der Ampel. Die Bäume trugen das erste zaghafte Grün. Die Luft roch besser, trotz der Abgase, der Winter war vorbei.
Er war lang gewesen, düster und hatte auch sehr viel Schnee über das Land ausgeschüttet.
Wein trinken, Musik hören, sich ausstrecken und…
Die Furcht schoß in ihr hoch. Sie würde allein sein, allein in der Wohnung, und so verdammt allein mit ihren Gedanken. Okay, sie hätte den einen oder anderen Bekannten anrufen können, der ihr sicherlich Gesellschaft geleistet hätte, aber das wollte sie nicht. Man hätte sie ausgelacht, wenn sie mit ihren Problemen gekommen wäre.
Sie hätte nicht anders reagiert.
In ein Lokal gehen?
Auch das war nicht gut. Nachher wäre sie wieder in die leere Wohnung zurückgekommen. Sie liebte diese Wohnung, die sie erst seit vier Monaten besaß. Die Erinnerung an ihren Sohn war durch diesen Umzug gelöscht worden. Brenda war sehr gut zurechtgekommen.
Hinter ihr hupte jemand. Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch und sah, daß sich die Blechschlange vor ihr schon in Bewegung gesetzt hatte. Die Abfahrt hatte sie verträumt.
Rasch fuhr sie an, hob eine Hand, um sich bei ihrem Hintermann zu entschuldigen.
Es war nicht mehr weit.
Das Haus lag etwas versetzt. Von der Straße
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