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0683 - Die Verdammten der Nacht

0683 - Die Verdammten der Nacht

Titel: 0683 - Die Verdammten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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unten, bis die Handflächen auf den Oberschenkeln liegenblieben.
    Sie starrte durch die Scheibe und gleichzeitig ins Leere. Was um sie herum geschah, bekam die Frau nicht mit. Sie sah nicht die Menschen, die mit Tüten oder prallgefüllten Einkaufswagen zu ihren Fahrzeugen hasteten.
    Das Normale wurde zur Farce, das Unnormale nahm bei ihr Gestalt an. Sie hatte ihren Sohn gesehen.
    Es war Mike gewesen. Für sie gab es keinen Zweifel. Aber Mike Evans war tot. Verdammt noch mal, er war tot! Sie hatte ihn selbst zu Grabe getragen.
    Brenda preßte beide Hände gegen ihr Gesicht, so erschüttert war sie. Jetzt mußte sie weinen. Es tat vielleicht gut, wenn sie den Tränen freien Lauf ließ.
    Die Zeit war unwichtig geworden. Hin und wieder schaute jemand in ihren Wagen. Keiner kümmerte sich um die verzweifelte Frau, die irgendwann den Kopf hob und ein Taschentuch hervorzog, um ihre Tränen zu trocknen. Das Gesicht war geschwollen. Unter den Augen zeichneten sich rote Flecke ab. Sie mußte sich einige Male die Nase putzen. Die Scheiben waren inzwischen von innen beschlagen. Sie kam sich vor, als würde sie in einem nebligen Käfig sitzen.
    Dann schaute sie hoch.
    Im Innenspiegel zeichnete sich ihr Gesicht ab. Brenda erschrak über sich selbst. Sie sah aus wie eine gebrochene Frau. Aber das wollte sie nicht sein. Mein Gott, sie war eine Person, die mitten im Leben stand, die einen guten Beruf hatte, anerkannt wurde und im letzten Jahr die Leiter der Karriere sogar nach oben geklettert war, denn den Schmerz über den Tod ihres Sohnes hatte sie durch Arbeit kompensiert. Sie hatte es gelernt, ihre Ellenbogen einzusetzen, doch heute war alles zusammengebrochen wie ein Kartenhaus.
    Das Image hielt nicht mehr, ihr Selbstbewußtsein war zerstört, die alten Wunden rissen wieder auf.
    Automatisch öffnete sie ihre Handtasche, wo sie einige Schminkutensilien fand.
    Brenda puderte ihre Nase, sie wischte die dunklen Flecken des zerlaufenen Augenbrauenstiftes ab, legte etwas Rouge auf und zwang sich dazu, klar und nüchtern zu denken.
    Es fiel ihr sehr schwer, aber sie ballte die Hände zu Fäusten, spürte die Fingernägel im Fleisch, zählte langsam bis zehn und glaubte dann, den normalen Tagesablauf fortsetzen zu können.
    Sie stieg aus.
    Plötzlich war ihr kalt, obwohl über London ein wunderschöner Frühlingstag lag. Es war beinahe zu warm für März. Viele Menschen saßen bereits im Freien in der Sonne und gaben sich der ersten Wärme hin.
    Brenda setzte ihre dunkle Brille auf, bevor sie den Supermarkt betrat. Sie war Ende Dreißig und eine sehr attraktive Frau. Mike hatte sie schon sehr früh bekommen. Ihre Ehe war allerdings nach drei Jahren geschieden worden. Sie und ihr Mann hatten einfach nicht zusammengepaßt. Ein Irrtum, der aber ausgebügelt werden konnte.
    Der Supermarkt begrüßte die Kunden mit bunten Reklameflächen und Musik, die nie störend war, aber zum Kauf anreizen sollte, wie Psychologen angeblich festgestellt hatten.
    Brenda Evans tat alles automatisch. Sie nahm den Wagen, durchbrach die Abtrennung aus Gummilaschen, schob den Wagen wie im Traum vor. Manchmal strich sie dabei durch ihre gewaltige rote Haarfülle.
    Vor der Entdeckung hatte sie noch gewußt, was sie einkaufen wollte. Damit kam sie jetzt nicht zurecht. Sie schob den Wagen vor sich her, schaute gegen die gefüllten Regale, und die dort ausgestellten Waren verschwammen vor ihren Augen.
    Wahllos griff sie zu.
    Nahm hier ein Paket, dort eine Dose, mal eine Flasche, packte Käse ein, Wurst, auch etwas zu trinken.
    Sie kaufte und wußte nicht einmal, ob sie es auch gebrauchen konnte. Es gab mehrere Kassen. Vor keiner brauchte sie lange zu warten. Die Kassiererinnen arbeiteten wie Automaten. Sie trugen eine freundliche hellblaue Kleidung. Selbst ihr Lächeln wirkte, als hätten sie es kurzerhand eingeknipst.
    Brenda bezahlte die Rechnung, wurde freundlich verabschiedet.
    Ein Lehrling packte ihr die Waren ein und erkundigte sich, ob er die schwere Tüte zum Wagen tragen sollte.
    »Ja bitte.«
    »Welcher Madam?«
    »Ich sage Ihnen Bescheid. Warten Sie, ich gehe vor.« Brenda lauschte dem Klang der Stimme nach. Sie hörte sich normal an, kam ihr trotzdem fremd vor, denn sie kratzte irgendwo im Hals.
    Der Lehrling ging hinter ihr her. Sie hatte eine Lücke ungefähr in der Mitte des Parkplatzes gefunden.
    Der Wagen besaß eine Heckklappe, die sie öffnete. Der Lehrling stellte ihr die Tüte hinein, bekam ein Trinkgeld und verschwand mit eiligen Schritten, um

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