0684 - Wald der toten Geister
Straße. Die anderen Fahrer verringerten sofort ihre Geschwindigkeit.
Scheinwerferaugen glotzten wie bleiche Höllenlichter.
Der Regen stürzte aus dem Himmel.
Eine gewaltige Masse an Wasser. Er trommelte auf das Wagendach meines Dienstrover, als wären Skelettfinger dabei, einen unheimlichen Takt zu schlagen.
Er prasselte gegen die Scheibe, er überschwemmte mich. Die Bahn wurde zum Fluss. Aquaplaning kam hinzu, die ersten Fahrer fuhren an den Rand, um das Gewitter abzuwarten.
Ich hatte es nicht mehr weit und wollte bis zum Ziel durchhalten. Beide Wischer arbeiteten wie irre.
Sie schlugen, sie schleuderten, sie hackten, selbst in der Schnelllaufstufe schafften die es nicht, die Wassermassen fortzuschleudern. Es war einfach zu viel, was da aus den tief liegenden Wolken strömte.
Auch ich fuhr sehr langsam. Im Schneckentempo kroch ich dahin. Mein Gesicht zeigte äußerste Konzentration. Ich war angespannt wie selten, die Hände umklammerten das Lenkrad. An der Haut spürte ich den Schweiß, als ich hineinfuhr in eine graue Welt, die überhaupt kein Ende zu nehmen schien.
Dazwischen wirbelten die Blitze.
Sie schufen immer neue Figuren, rasten nach links und rechts, zeichneten ein Muster, als wäre ein Künstler damit beschäftigt, sich immer etwas Neues einfallen zu lassen.
Die Welt bestand nur aus Regen, Blitzen und den krachenden Donnerschlägen, die ebenfalls ineinander rollten. Da war keiner vom anderen zu unterscheiden. Es waren die ewigen Trommel- und Paukenschläge, die mich einhüllten und die Welt zu zerschmettern drohten.
Irgendwie hatte ich das Gefühl für Zeit verloren in dieser natürlichen Hölle. Ich wusste nur, dass die bewusste Raststätte sehr bald erscheinen musste. Sie war beleuchtet, aber das Licht wurde von der tiefen Schwärze verschluckte.
Als Fahnen peitschte mir der Regen entgegen. Der Wind wechselte ständig. Mal brausten sie von vorn heran, mal jagten sie von den Seiten auf mich und den Rover zu.
Die Böen waren wie wütende Tiere. Sie zerrten und rissen am Fahrzeug. Ich schaute stur nach vorn, hielt das Lenkrad sehr hart fest und sah vor mir zwei rote Augen, die Leuchten eines anderen Autos, dessen Fahrer nicht so gut zurechtkam. Er hatte Mühe, seinen Wagen in der Spur zu halten.
Die Heckleuchten schlingerten. Sie wischten wie Irrlichter von links nach rechts. Ich wurde noch langsamer, fuhr durch eine mit Wasser gefüllte Mulde auf der Bahn, die dafür sorgte, dass hohe Fontänen zu beiden Seiten des Rovers hochstiegen.
Da ich gewarnt worden war, schaffte ich diese gefährliche Strecke, ohne zu stark zu schlingern.
Die Fahrerei strengte an. Schweiß lag auf meinem Gesicht. Im Rover kam ich mir vor wie in einer Waschküche.
Noch immer zuckten die Blitze wie dünne Netze vom Himmel, zeichneten Muster in die Finsternis und wurden von gewaltigen Donnerschlägen begleitet, als wollten diese die ganze Welt aus den Angeln reißen.
Manchmal duckte ich mich, wenn es zu stark wurde. Dann wiederum hatte ich den Eindruck, als gälte das Gewitter nur mir allein, um mir einen richtigen Empfang zu bereiten. Das war natürlich Unsinn, aber wer durch diese Hölle fuhr, dem kamen nun mal derartige Gedanken.
An der linken Seite schimmerte das Licht.
Ein tanzender blauer und weißer Schein. Abgestrahlt von Lampen, die sich im Wind leicht bogen.
Die Böen orgelten gegen die flache Raststätte, heulten über den Parkplatz hinweg, auf dem sich die abgestellten Fahrzeuge wie ängstliche Tiere duckten.
Ich setzte den Blinker, fuhr in die Ausfahrt und dachte daran, dass ich bis auf die Haut durchnässt sein würde, auch wenn es mir gelang, ziemlich dicht an die Raststätte heranzufahren.
Wie Phil Evans aussah, wusste ich nicht. Ich konnte nur hoffen, dass er bekannt war und man ihn mir zeigen würde.
Pfützen sahen aus wie kleine Seen. Der Wind schlug in sie hinein und produzierte Wellen.
Die Tankstelle wirkte wie eine verlassene Kulisse. Irgendwo flackerte Licht. Die Metallschilder, auf die die Preise aufgemalt worden waren, schwangen wie Fahnen hin und her. Sie waren nur an ihren Oberseiten befestigt worden.
Ich fuhr an der Tankstelle vorbei. Das eigentliche Rasthaus lag versetzt an der rechten Seite. Auf einem Parkplatz standen die Lastwagen parallel zueinander. Sie sahen aus wie kantige, nasse Ungeheuer.
Hinter der langen Fensterreihe des Rasthauses schimmerte Licht. Die Gäste hockten im Trockenen.
Hinter dem dichten Regenvorhang kamen sie mir vor wie hohle, geisterhafte Gestalten
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