0684 - Wald der toten Geister
Brenda Evans.
Sie bewegte ihre Arme und war dabei, mit den Händen die letzten gummiartigen Stricke von ihrem nackten Körper zu streifen. Sie hatte sich tatsächlich entschlossen, ihr altes Leben hinter sich zu lassen, um ein völlig neues zu beginnen.
Ohne Kind, auch ohne Mann…
Sie schaute nicht einmal zurück, als sie in den Wald hineinhastete, einer Nebelwand entgegen, die plötzlich aufgestiegen war und durch das tote Gebiet den Flüchtenden entgegenwallte.
Ich merkte Sukos Griff an meinem Oberarm. »Wir sollten jetzt wirklich verschwinden, John!«
Wie zur Bestätigung seiner Worte hörten wir über uns das harte Knacken. Es erklang mehrmals hintereinander, als wäre jemand dabei, Schüsse aus einer Spielzeugpistole abzufeuern.
Dabei war es nur das starre Geäst, das sich nicht mehr halten konnte und auseinander brach.
Bevor die ersten Baumtrümmer auf unsere Köpfe fielen, starteten wir. Jane Collins hatten wir in die Mitte genommen, während hinter und um uns herum der Wald regelrecht zusammenbrach. Ein krachendes Inferno ohne Feuer spielte sich in unserem Rücken ab, und erste Zweige flatterten an uns vorbei, als wären sie von einem Sturmwind gepackt.
Mich erwischte ein harter Stoß im Rücken, der mich nach vorn schleuderte. Hätte Jane nicht so schnell zugegriffen, wäre ich gefallen. So aber flohen wir weiter aus der zusammenkrachenden Welt, die Mandragoro nicht mehr für lebenswert hielt. Was die Menschen zerstört hatten, sollten sie auch nicht länger behalten.
Was jenseits der Nebelwand lag, bekam ich nicht mehr zu sehen. Jane berichtete mir später davon.
Wir schafften es noch rechtzeitig genug, den Wald zu verlassen, rannten über das Gelände, bis wir beinahe die Rückseite des Hauses erreicht hatten.
Der Himmel sah aus wie dunkle Asche. Etwas heller präsentierte sich der Wald, in dem sich alles bewegte und alles zusammenbrach. Staub wallte in die Höhe. Große Wolken stiegen dem Himmel entgegen, als wollten sie sich dort mit den echten vereinigen.
Wir schauten zu, und auch andere Menschen kamen, die nichts begriffen.
Ich fühlte Janes Hand in der meinen. Dann hörte ich ihre Frage: »Wann endlich werden die Menschen vernünftig und begreifen, dass die Umwelt das größte Stück Lebensqualität ist, das sie besitzen?«
Ich hob die Schultern. »Nie, fürchte ich, Jane. Die Menschen werden wohl niemals vernünftig.«
»Ja, das befürchte ich auch…«
***
Wir hockten in Sir James' Büro zusammen und gaben unsere Berichte ab. Viel war nicht zu sagen, aber wir erfuhren zwischendurch, dass Graham Watkins überlebt hatte. Dieser Mann hatte eine Bärennatur.
Sir James hob die Schultern. »Ob es gut für ihn ist, weiß ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil er vor Gericht gestellt werden wird und sein Leben lang wohl nicht mehr aus der Zelle herauskommt.«
»Ist auch besser so.«
Jane hob die Kaffeetasse an. »Aber das gibt uns Phil und Mike Evans auch nicht mehr zurück.«
»Leider.«
»Und die Verseuchung geht weiter«, sagte Suko. »Immer weiter. Wenn nicht hier, dann woanders. Wir sollten den Leuten die Umkehr wirklich einhämmern.«
»So große Hämmer gibt es nicht«, sagte ich.
Es war niemand da, der über diese Antwort schmunzelte. Dafür sah die Zukunft der Umwelt einfach zu grau aus…
ENDE des Zweiteilers
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