0694 - Lavalles Todesspur
das Ende oder den Anfang der Treppe erreicht hatte. Von dort aus schaute sie in die Tiefe.
Nichts war zu sehen.
Zwar hatte sie die Tür zum Keller geöffnet, aber das Flurlicht reichte nicht aus, um die Menge der Stufen zu beleuchten. Es verlor sich irgendwo auf halber Strecke…
Sie atmete durch die Nase. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, zum Schalter zu greifen. Licht bedeutete Sehen, Beruhigung und auch Sicherheit.
So jedenfalls dachte sie…
Verdammt, warum fiel es ihr so schwer, den Arm zu heben und nach dem Schalter zu fassen? Es kostete sie Überwindung, dann hatte sie ihn gefunden, berührte und kippte ihn.
Nichts geschah!
Sie begriff zuerst nicht, weil sich ihre Gedanken einfach überschlugen und sie diese nicht in die korrekte Reihenfolge hineinbringen konnte. Warum nicht? Jemand hatte es ausgeschaltet, hatte an der Sicherung manipuliert, hatte vielleicht die Birne aus der Fassung gedreht.
Von unten aus gesehen, stand sie wie eine mächtige Schattengestalt am Ende der Treppe. Aber Sarah fühlte sich nicht mächtig, sie fühlte sich eher klein, elend und verwundbar.
Sie wußte, daß sich etwas in ihrem Keller verändert hätte, daß dort jemand lauerte, daß es ein Fremder geschafft hatte, in ihren Lebenskreis einzudringen.
Nur sah sie nichts.
Nur das geheimnisvolle Dunkel, das sich zwischen den Wänden zusammenballte. Und die Bewegung!
Ein Schatten - schnell, huschend und einen Zickzackkurs einschlagend. Er war da, er war nicht zu identifizieren, aber er war nicht dunkler als die dort liegende Düsternis.
Er besaß Augen.
Urplötzlich konnte sie diese erkennen. Sie rissen Löcher in die Finsternis des Kellers, sie schufen kleine, silbrig sprühende Inseln, sie blitzten.
Aber das war kein Mensch, das war…
Lady Sarah stöhnte auf.
Sie wußte es nicht.
Sie wußte nur, daß sie von einer Sekunde zur anderen in höchster Gefahr schwebte…
***
Suko rammte die Zimmertür vehement nach innen und huschte zur Seite, um mir freie Bahn zu verschaffen.
Ich hatte meine Waffe gezogen. Geduckt jagte ich in den Raum hinein, die Nerven zum Zerreißen gespannt, weil ich einen Angriff erwartete und dabei darauf gefaßt war, das Schlimmste zu erleben, denn ich kannte Lucien Lavalle nur zu gut.
Der Schrei wiederholte sich.
Diesmal noch schlimmer, noch greller. Ausgestoßen hatte ihn das Zerrbild eines Menschen, der auf dem Rücken lag und um sein Leben kämpfte, denn einer dieser verfluchten Killeraale hatte sich in seiner Brust festgebissen.
Der Mann mußte Jambo sein. Es war ihm gelungen, seine Finger um den Aalkörper zu klammern, und er versuchte, das böse Etwas von seinem Körper wegzureißen: Das gelang ihm nicht.
Ich wollte schießen, bekam von Suko einen Schulterstoß, der mich aus der Richtung schleuderte.
Mein Freund wollte die Sache übernehmen, denn er hatte die Peitsche. Die Bestie mit ihr anzugreifen, war möglicherweise sicherer, denn eine Kugel hätte zu leicht Jambo treffen können.
Suko hatte den Kreis bereits geschlagen, die drei Riemen hingen aus der Öffnung.
Er schlug zu. Schräg nach unten, denn er wollte auf Nummer Sicher gehen.
Treffer!
Auch die Arme des Zeichners wurden erwischt. Es war nichts im Vergleich zu dem, was er durchmachte. Er schrie nicht mehr, aus seinem Mund drangen leise, aber schreckliche Laute.
Der Aal bäumte sich auf. Plötzlich mußte er sein Opfer loslassen. Der Kopf mit dem Killermaul schnellte hoch, die Zähne schimmerten wie kleine Messer.
Dann zerplatzte er. Das Maul steckte nicht mehr in seinem Körper.
Suko trat die verkohlten Reste der Bestie weg. Dabei schaute er mich an.
Ich nickte ihm zu.
»Verdammt, John, das war…«
Ich winkte ab und ließ mich auf die Knie fallen. Jambo war ein Halbblut. Die Wunde in seiner Brust war schon verflucht tief, sie blutete sehr stark, aber auch auf seinem Kopf sah ich eine blutende Stelle, dort hatte die schmale Bestie Haare aus dem Verbund gerissen.
Suko hatte den Raum verlassen und war nach unten gelaufen, um von dort den Notarzt zu alarmieren. Ich blieb bei Jambo. Vielleicht war er noch in der Lage zu reden.
Er stöhnte leise, hielt die Augen aber offen und schaute mir ins Gesicht.
»Können Sie mich hören?« flüsterte ich.
»Was… wer…?«
»Bitte, Jambo. Der Arzt wird gleich hier eintreffen. Sie kommen in ein Krankenhaus, sie werden gerettet, aber Sie wissen auch, wem Sie das zu verdanken haben.«
»Lavalle.«
»Richtig.«
»Warum sind Sie hier in London gewesen,
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