0697 - Der Elefanten-Dämon
sich der Höllenschlund aufgetan und sie verschluckt.
Unter den Farnen lag ein sterbender König.
***
Angkor.
In der riesige Metropole mitten im Urwald schien plötzlich die Zeit stillzustehen.
Tausende von Mönchen versammelten sich in den reich verzierten Tempeln, um für ihren König zu beten. Auch die Bauern, Handwerker, Hofbeamte und andere Einwohner von Angkor gingen nicht mehr ihrem Tagwerk nach. Sie standen oder saßen stumm zwischen den Höfen, Türmen, Galerien und Portalen der Hauptstadt des mächtigen Khmer-Reichs.
Das berühmte Lächeln der Khmer war von ihren Gesichtern wie fortgezaubert. Die Menschen richteten ihre Blicke instinktiv auf den Königspalast zwischen den himmelhohen Sandsteintürmen.
Dort rang ihr Herrscher mit dem Tod.
Die königlichen Leibärzte hatten ihr Bestes getan. Aber das Leben von Chapei I. war wohl nicht mehr zu retten.
Der König ruhte nun zwischen den seidenen Laken seines Bettes. Er atmete sehr flach. Seine beiden Söhne saßen links und rechts von ihm auf hohen Sitzkissen.
»Ich… ich hoffe, Buddha beschert mir eine gute Wiedergeburt«, keuchte der König. Sein Atem ging rasselnd. »Ich war nicht achtsam. Ich hatte die Zeichen nicht richtig gedeutet. Nun muss ich die Folgen tragen. Das ist mein Karma.«
Rana wollte etwas sagen, aber sein Vater gebot ihm zu schweigen.
»Mir… bleibt nicht viel Zeit, Sohn. Ihr beide werdet mein Erbe antreten. Angkor… ist die größte Stadt der Welt, Unser Reich ist mächtig. Habt ihr euch nie gefragt, warum das so ist?«
»Weil wir Khmer allen Barbarenvölkern überlegen sind!«, knurrte Preah.
Der sterbende König lächelte weise.
»Nein, mein Sohn. Wir sind so stark, weil wir die Götter überlisten können!«
Für einen Moment herrschte Schweigen in dem herrschaftlichen Schlafgemach.
In Preahs Augen glomm die Gier auf.
»Die Götter überlisten? Wie geht das?«
Chapei I. atmete schwer. Mit langsamen Bewegungen zog er zwei goldene Armreifen unter seiner Bettdecke hervor. Sie waren mit Symbolen verziert, die weder Preah noch Rana jemals zuvor gesehen hatten.
Der König schob jedem seiner Söhne einen dieser Reifen hinüber.
»Dieser… dieser Schmuck ist das Geheimnis unserer Macht«, stöhnte der König. Der Geruch seiner verbrannten Haut war kaum noch zu ertragen. Aber seine Söhne lauschten trotzdem gespannt.
»Aber er wirkt nur, wenn Harmonie herrscht, Du, Preah, besitzt nun einen Reif. Du, Rana, einen zweiten. Aber sie müssen zusammengefügt werden, um die Götter zu überlisten…«
Der Herrscher lächelte und kniff ein Auge zu.
»Wenn ihr euch streitet, wird das Reich im Elend versinken.«
Preah rutschte vor Ungeduld auf seinem Kissen hin und her. Er hätte am liebsten sofort seinem Bruder den Schädel eingeschlagen und das Schmuckstück an sich gerissen. Aber er übte sich in Geduld. Seine Stunde würde kommen.
Rana hingegen war um das Leben des Vaters besorgt.
»Soll ich noch einmal nach den Ärzten schicken, Vater?«
Der König verneinte.
»Es hat keinen Sinn. Ich werde euch nun verraten, wie ihr die Götter überlisten könnt.«
Er sagte es. Die beiden Prinzen waren erschüttert.
»Das ist also unser Geheimnis«, sagte Rana laut.
Chapei I. war nun schon an der Pforte des Todes.
»So ist es, mein Sohn… ich sehe nun das Universum vor mir… Vergangenheit und Zukunft sind eine Illusion… unser Reich wird untergehen und wieder auferstehen… und die Reifen… ich sehe einen Mann…«
»Was für ein Mann?«, drängte Preah. Vielleicht jemand, der ihm seinen Reif stehlen wollte? Dem würde er bei lebendigem Leib die Haut abziehen lassen.
»Ein Mann aus dem Westen… die Reifen… es ist viel Zeit vergangen… sein Name ist… Zamorra..«
Der Herrscher der Khmer machte noch ein paar gequälte Atemzüge.
Dann glitt er in die Unterwelt hinüber.
Rana weinte bitterlich. Preah grübelte, wie er am besten seinen Bruder töten könnte.
***
Gegenwart, Château Montagne, Frankreich
Fooly langweilte sich wieder einmal.
Der 1,20 m große Jungdrache watschelte durch die hohen Korridore des ehrwürdigen Schlosses an der Loire. Sein Ziel war das Billardzimmer.
Kurz zuvor hatte Fooly mitbekommen, wie Professor Zamorra von Nicole Duval zu einer Partie herausgefordert worden war. Die Neugier trieb den grünhäutigen Hausgenossen des Dämonenjägers in diesen ruhigen Seitenflügel von Château Montagne.
Fooly war in Gedanken schon so in das Billardspiel vertieft, dass er mit seiner vierfingrigen Hand die
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