07 - komplett
Sie wollte sich die Erinnerung an diese traumhafte Nacht durch nichts verderben lassen. Doch sie konnte sehen, dass es ihm auf der Seele brannte, ihr zu erzählen, was auch immer ihn belastete. Sie würde ihm zuhören, gleich wie sehr es schmerzte. Vielleicht würde auch sie sich ihm anvertrauen.
„Als du mich gebeten hast, nach deiner Schwester zu suchen, sagtest du, ich dürfe dich jetzt nicht wieder zurückweisen.“
„Ich ... Ja, ich glaube, das habe ich gesagt“, erwiderte sie überrascht. „Ich hätte etwas Derartiges nicht äußern sollen, aber ich war verzweifelt.“
„Nein, du hattest recht. Ich habe dich damals abgewiesen. Ich habe uns jede Chance auf ein gemeinsames Glück verwehrt.“ Er griff nach ihrer Hand, hielt sie leicht fest und blickte auf ihre Finger. „Dich damals zu verlassen war jedoch die einzig ehrenhafte und selbstlose Tat, die ich in meinem ganzen Leben je getan habe.“
Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Mary schluckte schwer, als sie sich an jene Tage erinnerte, sich den lähmenden Schmerz ins Gedächtnis rief, der ihr Herz zu zerbrechen drohte und es ihr unmöglich machte, zu essen oder zu schlafen oder am Alltag teilzuhaben. Ihre Mutter war damals mit ihr nach Brighton verreist, in der Hoffnung, die Seeluft würde sie aufmuntern. William war ihnen dorthin gefolgt, und da es ihr inzwischen egal war, mit wem sie sich vermählte, hatte sie seinen Antrag angenommen.
Von Dominick verlassen zu werden, hatte ihr den größten Kummer ihres Lebens bereitet, größeren Schmerz hatte ihr nur der Verlust ihres Sohnes zugefügt. „Du hast mir geschrieben, ich sei zu jung und besäße nicht genügend Vermögen, weshalb unsere Ehe nie funktionieren könne“, sagte sie. Sie hatte den verletzenden Brief gleich nach dem Lesen ins Feuer geworfen, die Zeilen darin aber nicht vergessen.
„Als ich zu deinem Stadthaus kam, teilten mir die Dienstboten mit, du seist abgereist.“
Er schloss die Hand fester um ihre Finger und sah sie mit prüfendem Blick an. „Und du hast den Worten in meinem Brief Glauben geschenkt?“
Mary schüttelte den Kopf und versuchte damit auch ihr jüngeres verletztes Ich abzuschütteln. „Ich hielt es für unmöglich, dass du mich plötzlich wegen einer mageren Mitgift verlassen würdest. Ich kannte dich schon zu gut und glaubte nicht daran, dass dir Geld so immens wichtig war. Aber etwas hat dich von mir fortgetrieben und dich veranlasst, deine Meinung über unsere Beziehung zu ändern.
Ich dachte, es sei vielleicht eine andere Frau. Ich hatte befürchtet, du wärst meiner jugendlichen Schwärmerei überdrüssig geworden.“ Sie blickte auf ihre Hände. „Was war der Grund, Dominick?“
„Ich bekam Besuch.“
„Besuch?“
„Dein Vater hat mich aufgesucht.“
„Mein Vater?“, rief Mary. Das hatte sie nicht erwartet. Ihr Vater war ein schweigsamer Mann, der sich stets vor dem Trubel, den seine Töchter veranstalteten, in die Bibliothek flüchtete. Sie hatte sogar angenommen, er wisse nichts von ihrer Liebe zu Dominick, denn es war immer ihre Mutter gewesen, die ihr Moralpredigten gehalten hatte. „Was hat er von dir gewollt?“
„Er wollte natürlich über dich sprechen. Er sagte mir, wie nahe ihr euch in der Familie stündet, wie sehr du deine Schwestern liebtest und dich um sie sorgtest. Er sagte mir, Derrington hätte bei ihm um deine Hand angehalten, und zählte mir all die Dinge auf, die dir ein Earl bieten konnte und ich nicht. Er malte mir das Leben aus, dass du als Lady Derrington führen könntest.“
„Und du ... Du hast beschlossen, ich sei mit William besser dran?“, fragte sie leise.
„Er war reich und hatte einen Titel. Sein Ruf war tadellos, und er galt als aufrichtig und zuverlässig. Ich wusste, wenn ich dich wahrlich liebte, durfte ich nicht an mich und meine Wünsche denken, sondern musste das tun, was für dein Wohl das Beste war. Und war das falsch? Schau, wie mein Leben verlaufen ist, und dann wirf einen Blick auf deinen Lebensweg. Derrington hat dir all das gegeben, was ich nicht konnte.“
Mary entzog ihm ihre Hand. Unerklärlicherweise war sie wütend auf ihn. Ja, sie hatte einen Blick auf ihren Lebensweg geworfen – er war langweilig und trostlos. Ihr Mann war ein Gatte gewesen, der sie nicht verstand, der sie als seinen Besitz betrachtete und sich lediglich mit ihr schmücken wollte. Und nun erzählte Dominick ihr, dass er sie verlassen hatte, um sich nobel zu zeigen. Weil er das Beste für sie wollte. Doch er hatte
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