07 - Old Surehand I
nicht gesehen werden konnten, selbst wenn jemand den kleinen, halb offen stehenden Schiebefenstern nahe kam.
Noch war ich nicht fertig, so hörten wir den Hufschlag von Pferden. Sechs Reiter stiegen draußen ab; es waren die Erwarteten. Helmers ging hinaus.
„Good day, Sir!“ grüßte der General. „Habt Ihr schon Gäste hier, Sir?“
„Gäste?“ antwortete Helmers. „Woher sollen die hier in diese Einsamkeit kommen?“
„Well! Gebt unsern Pferden Wasser und Futter und uns etwas Kräftiges zu essen nebst einer gehörigen Flasche Feuerwasser.“
„Sollt alles haben, Sir. Werdet ihr heut' hier bleiben?“
„Warum fragt Ihr das?“
„Werdet mir die Frage wohl nicht übelnehmen! Ich muß es wissen, weil ich mich als Wirt darauf einzurichten habe.“
„So! Wir werden essen und trinken und dann weiterreiten.“
„Um diese Zeit? Es wird bald Nacht sein!“
„Das ist uns gleich.“
„Kommt Ihr aus dem Estacado, Sir?“
„Fragt nicht so viel, sondern tut, was ich euch befohlen habe!“
„Hört, Ihr scheint mir ein außerordentlich großer Herr zu sein! Werd' wohl auf meinem Grund und Boden fragen dürfen! Und befehlen? Das kenne ich nicht!“
„Werdet es aber jetzt kennenlernen! Ich bin nämlich General, Sir, ja, General! Habe bei Bull-Run gefochten, bei Fort Hatteras , bei Harpers -Ferry, bei Gettysburg und in vielen andern Schlachten, in denen ich stets Sieger gewesen bin!“
„Good lack! Da muß ich mich freilich beeilen, Eure Befehle auszuführen! Entschuldigt nur einen Augenblick! Ihr werdet sofort bedient werden, wie es solchen Herren, wie ihr seid, angemessen ist!“
Der Doppelsinn dieser Worte entging ihnen. Sie setzten sich an einen der Tische, ohne zu ahnen, was für eine Art von ‚Gehorsam‘ ihrer wartete. Helmers kam wieder herein und sagte leise:
„Jetzt kommt, Mesch'schurs! Ich werde euch durch die Hintertür führen. Eure Gewehre liegen eingewickelt auf dem Tisch; die ihrigen nehmen wir ihnen sofort weg. Das muß das erste sein, damit sie sich nicht wehren können.“
„Das ist nicht nötig, Mr. Helmers“, antwortete ich; „sie werden es gar nicht wagen, nach ihnen zu greifen.“
Wir folgten ihm durch die Küche hinter das Haus nach der einen Giebelecke, hinter welcher seine Leute schon standen, bewaffnet und zum Zuspringen bereit. Dann ging er durch das Haus zurück und zu ihnen hinaus. Wir hörten deutlich, was gesprochen wurde, denn der Tisch, an welchem sie saßen, stand nicht sehr weit von unsrer Ecke.
„Ihr bringt nichts mit?“ fragte der General. „Wo bleibt der Brandy? Und wer sorgt für die Pferde?“
„Geduld, Mesch'schurs! Es ist alles besorgt.“
„Aber Ihr tut nichts, wie es scheint!“
„Ist auch nicht nötig, habe meine Leute dazu.“
„Aber wir können nicht warten!“ fiel Old Wabble zornig ein. „Wir sind gewöhnt, schnell bedient zu werden!“
„Keine Sorge, Sir! Ihr werdet schnell bedient werden, schneller noch, als ihr es denkt. Darf man wissen, wohin ihr von hier reiten werdet?“
„Geht Euch das etwas an?“
„Eigentlich nicht.“
„So fragt auch nicht! Was einem nichts angeht, das soll einem auch nichts angehen; th'is clear!“
„Ich frage nicht aus Neugierde, sondern um euch nötigenfalls zu warnen.“
„Vor wem?“ fragte der General.
„Vor einigen weißen Spitzbuben, die sich hier in der Nähe herumtreiben.“
„Spitzbuben? Was sind es für Kerls?“
„Schufte, die es besonders auf die Gewehre andrer Leute abgesehen haben.“
„Wie – – – ? Was – – – ?“
„Ja, Gewehrdiebe!“
„Das – – – das – – – wäre doch sonderbar!“
„Es ist aber so! Erst vor zwei Tagen haben sie einen solchen Diebstahl ausgeführt.“
„Vor zwei Tagen! Wo denn?“
„Im Llano. Dort haben sie die drei berühmtesten Gewehre gestohlen, die es gibt.“
Ich zog meine beiden Revolver, denn der Augenblick der Überrumpelung war da. Winnetou spannte die seinigen auch. Wir konnten die Kerls nicht sehen, aber es war ihnen jetzt wahrscheinlich nicht sehr wohl zumute, denn die Stimme des Generals klang sehr gepreßt, als er fragte:
„Welche Gewehre sind das gewesen?“
„Die Silberbüchse Winnetous und Old Shatterhands Stutzen und Bärentöter.“
„Alle Teufel! Ist das wahr?“
„Sehr wahr!“
„Von wem wißt Ihr das?“
„Von den Bestohlenen selbst.“
„Also – – – von – – – Winnetou – – –?“
„Yes.“
„Und – – – von – – –
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