0703 - Die Insel des Kopfjägers
Druck stand und seelisch litt.
Seinen Bruder hatte man durch mehrere Messerstiche brutal getötet. Die Kollegen wußten nicht, wer der Täter war. Sie suchten noch, sie hatten zwar Spuren gefunden, die aber ins Leere stießen. Dieser Mord war schlimm. Der Täter mußte in einer Ekstase gewesen sein und hatte des öfteren zugestochen.
War das einer Frau zuzutrauen?
Ja, denn ich hatte da meine Erfahrungen sammeln können und schon etliche gefährliche Frauen kennengelernt. Zumeist aber hatten sie irgendwelchen Dämonen gehorcht.
Ich wandte mich nach rechts. Dort lag auch der kleine Parkplatz, umgeben von Hecken und nur spärlich beleuchtet. Im Licht der Lampen tanzten unzählige Insekten, als wollten sie gerade in dieser Nacht etwas Besonderes vorführen.
Hinter den Hecken wuchsen Laubbäume hoch. Mein Rover stand versteckt unter einem natürlichen Dach aus dicht belaubten Zweigen. Leise raschelnd bewegten sich die Blätter im Wind. Ich hielt den Wagenschlüssel bereits in der Hand, ahnte nichts Böses, war mit meinen Gedanken noch bei dem Gespräch, da traf es mich knüppeldick und frei nach Schiller, der da in seiner Glocke geschrieben hatte:
›Doch der Segen kommt von oben…‹
***
Einige Tage zuvor!
Die Nacht nach der Beerdigung des Jason Travis.
Hügel aus Lehm umgaben das Grab, über das einfache Holzplanken gelegt worden waren, aus Sicherheitsgründen, damit niemand hineinfiel und auf den Sarg krachte. Bei den vielen Beerdigungen war der Totengräber mit der Arbeit gar nicht mehr nachgekommen.
Es gab immer wieder Verrückte, die in der Nacht über den Friedhof streiften und sich an irgendwelchen Gräbern zu schaffen machten oder auch Parties feierten.
Von dem Lehmhügel war kaum etwas zu sehen, denn er verschwand unter einer Flut von Kränzen, deren Schleifen sorgfältig in alle Richtungen gelegt worden waren. Dazwischen steckten die Blumensträuße, die in der Hitze allerdings stark gelitten hatten und die Köpfe hängen ließen.
Es war ein ziemlich freies Gräberfeld. Die nächsten Bäume wuchsen in einiger Entfernung. Ihre Kronen bildeten mächtige Inseln, als wollten sie einen Teil des Untergrunds beschützen.
Auf diesem Teil des Friedhofs wirkten die meisten Gräber noch schmucklos, und es würde Jahre dauern, bis er eine parkähnliche Form bekommen hatte.
Kein Laut unterbrach die Stille.
Auch der Wind war beinahe eingeschlafen. Hin und wieder nur bewegte er zitternd die Spitzen der Grashalme, ansonsten lag der Friedhof da, wie es sich gehörte.
Und doch war jemand unterwegs!
Eine dunkle, unheimlich wirkende Gestalt, die zwar aussah wie ein Mensch, die aber kein Gesicht besaß, denn von den Füßen bis hoch zur Stirn war sie finster.
Sie kannte den Weg, sie kürzte ihn ab und huschte querfeldein über Grasteppiche und zwischen Gräberreihen hindurch, bis sie das neue Gelände erreicht hatte.
Dort blieb sie stehen und nahm eine witternde Haltung an, als wäre sie ein Tier.
Sie schaute nach vorn. Dabei sank sie etwas in die Knie, als wollte sie eine bestimmte Startposition einnehmen. Und sie bewegte sich auch nach rechts.
Mondlicht sickerte der Erde entgegen. Es schuf einen hellen Reflex, der über etwas Blankes hinweghuschte, was sich an der linken Seite der Gestalt befand.
Es war eine Klinge.
Lang, auch ziemlich breit und dabei leicht gebogen. Die Gestalt streichelte über den Griff, aus ihrem Mund oder dort, wo sich der Mund bei einem Menschen befand, drang ein zischendes Geräusch, vergleichbar mit einem Startsignal, denn plötzlich huschte die Gestalt wieder los. Abermals mit langen, raumgreifenden Schritten, aber so gut wie unhörbar, denn nur ein leises Poch-Poch hinterließen die Füße auf dem teppichartigen Waldboden.
Das Ziel der Gestalt waren die neuen Gräber.
Niemand sah den Fremden, der geduckt die freie Strecke überquerte und neben dem linken Lehmhügel in Deckung ging. Er saugte den Geruch der Blumen ein und der Tannenzweige, die sich ebenfalls nahe des Grabs herum verteilten.
Wieder wartete der Unbekannte. Niemand hatte ihn gesehen, niemand kam, um nachzuschauen, er war allein, und das mußte auch so sein.
Wie tastend umrundete er die kleinen Hügel und blieb vor der Schmalseite des Grabes stehen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er die Bretter zur Seite geräumt hatte.
Danach starrte er in die Tiefe!
Viel war nicht zu sehen. Die Umrisse des Sarges verschwanden mit der Düsternis der Grube. Auf dem Sarg lagen Lehm und Blumen. Beides zusammen bildete ein
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