0714 - Attacke der Doppelgänger
ansteckend. Natasha war die einzige, die sich in seiner Nähe völlig ungezwungen bewegte, so als habe sie die Horror-Storys über Senecas Brutalität nie gehört.
Auch wenn sie es bewusst noch nicht begriffen hatte, unterbewusst war ihr längst klar, dass der Mann, neben dem sie jeden Morgen aufwachte, nicht Ty Seneca war.
»Schon gut«, flüsterte sie. »Ich verstehe dich schon.« Und selbst überrascht, stellte sie fest, dass das die Wahrheit war.
Rob war froh darüber, denn gerade vor ihr wollte er kein skrupelloser Verbrecher sein.
Oh nein, dachte er, als er erkannte, wohin seine Gedanken führten, ich habe mich in sie verliebt…
***
Gegenwart
Der Lärm vor dem Fenster ließ Yves hochfahren. Erschrocken setzte er sich auf und rieb den Schlaf aus seinen Augen.
Shit, dachte er. Ich hab wohl ein paar Stunden meiner Schicht verschlafen.
Er hatte sich entschieden, die Blumen in der Nacht zu beobachten und tagsüber, während die Kinder dort spielten und Menschen Wäsche an den Leinen aufhängten, zu schlafen. Wenn dann etwas Ungewöhnliches passierte, würde ihr Rufen ihn schon wecken.
Draußen polterte es erneut. Jemand stöhnte laut.
Yves stand auf und stolperte zum Fenster. Vorsichtig sah er durch den Spalt zwischen den Vorhängen. Es regnete in Strömen und er war froh, dass er die frisch gekaufte Klimaanlage noch nicht angeschlossen hatte. So waren die Scheiben wenigstens nicht beschlagen.
Trotzdem war draußen nur wenig zu erkennen. Er sah eine riesenhaft wirkende Gestalt in einem dunklen, nass glänzenden Regencape und zwei durchnässte Männer, die einen dritten zwischen sich genommen hatten. Dessen Beine schleiften über den Boden. Er schien bewusstlos zu sein.
Hier in den Slums von Baton Rouge war eine solche Szene nicht ungewöhnlich. Junkies und betrunkene Obdachlose zogen sich gerne in die Hinterhöfe zurück, wenn sie unbeobachtet sein wollten. Und doch ließ die Art, wie sich die Männer bewegten, Yves stutzen.
Das waren keine Junkies.
Die beiden Männer, die den dritten mit sich zogen, gingen fast direkt an seinem Fenster vorbei. Für eine Sekunde erhellte das Licht des Fernsehers ihre Gesichter.
Yves zuckte zusammen.
Der Bewusstlose war Zamorra.
Aber welcher von beiden?, fragte er sich, während er in die Hocke ging und sich vorsichtig zurückzog.
Bevor er darüber nachdenken konnte, flog die Wohnungstür mit einem Knall gegen die Wand. Holz splitterte, dann duckte sich die riesige Gestalt im Regencape unter dem Türrahmen hindurch. Die Pistole, die sie in einer wulstig vernarbten weißen Hand hielt, richtete sich auf Yves.
Der hob die Arme.
»Du Hast Nichts Gesehen Nigger Kapiert«
Die Stimme klang metallisch scheppernd und monoton wie die eines Roboters.
Künstlicher Kehlkopf, dachte ein Teil von Yves, während der andere versuchte, die Beleidigung zu ignorieren.
»Nein, Sir, nichts«, gab er zähneknirschend zurück.
»Willst Du Mich Verarschen«
»Nein, Sir, wenn Sie sagen, dass ich nichts gesehen hab, hab ich nichts gesehen.«
Er gab sich dümmlich und unterwürfig, obwohl er innerlich kochte.
Der Unbekannte, dessen Gesicht im Schatten der Kapuze verborgen war, lachte knackend, ein Geräusch, das Yves einen Schauer über den Rücken jagte.
»Gut So Nigger Hast Kapiert Wie Man Am Leben Bleibt«
»Ja, Sir.«
Nervös beobachtete Yves, wie die freie Hand des Mannes in die Tasche seines Capes griff und ein paar hundert Dollar hervorzog.
»Kauf Dir Ne Neue Tür Und Wenn Ich Erfahre Dass Du Gequatscht Hast Komm Ich Zurück Und Leg Dich Um«
»Ja, Sir. Danke, Sir. Werd nicht quatschen, Sir.«
Der Unbekannte drehte sich um und verließ die Wohnung.
»Arschloch«, murmelte Yves. Er wartete einen Moment, dann ging er zur Tür und sah hinaus. Er glaubte, einen Wagen wegfahren zu hören, dann war da nur noch das Prasseln des Regens.
Zumindest eines war ihm mittlerweile klar. Der Zamorra, den er gesehen hatte, stammte aus der anderen Welt. Niemand hätte es gewagt, den Schwarzmagier aus seiner eigenen so zu behandeln.
Nachdenklich lehnte Yves die Tür gegen den Rahmen.
Bei ihrer ersten Begegnung hatte Zamorra ihm das Leben gerettet. Jetzt schien er in Schwierigkeiten zu stecken, was bedeutete, dass Yves sich revanchieren konnte. Nur wusste er nicht, ob sein Ansatz der richtige war.
Er ging zurück ins Zimmer und betrachtete die Visitenkarte neben dem Telefon. Die Nummer darauf sah merkwürdig aus, bestand nur aus drei gleichen Zahlen ohne irgendeine Vorwahl.
555
Yves
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