0714 - Attacke der Doppelgänger
verschwanden zwischen den tiefen Schatten der Felsen.
Murat blieb frustriert zurück.
***
Gegenwart
Innerhalb von Sekunden war Zamorra durchnässt. Der Regen hatte an Intensität zugenommen, hämmerte so laut gegen den brüchigen Asphalt, dass er kein anderes Geräusch hören konnte. Es war heiß und schwül. Wie im Regenwald, dachte er, als er die Blumen verließ und geduckt zu einer Häuserwand lief. Kein Ruf, kein Schuss - alles blieb ruhig.
Seine Anspannung legte sich. Er wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und warf einen Blick auf die dunkle Rückseite von Yves Cascals Wohnung. Durch die geschlossenen Vorhänge glaubte er, das flackernde blauweiße Licht eines Fernsehers zu sehen. Der Regen, der wie ein Wasserfall an den Wänden herablief, verbarg die Details und ließ die Welt hinter den Scheiben undeutlich wie eine Fata Morgana erscheinen.
Zamorra hoffte, dass Yves zu Hause war und ihm sagen konnte, was mit Natasha geschehen war, denn obwohl er das Nicole gegenüber heruntergespielt hatte, fühlte er sich doch mehr als unwohl bei dem Gedanken, länger in der Spiegelwelt zu bleiben.
Je schneller er wieder im Keller des Châteaus stand, desto besser.
Zamorra sah sich noch einmal prüfend in dem leeren Hof um, dann löste er sich von der Wand und ging auf Yves Wohnung zu. Den Blaster hatte er zwar eingesteckt, aber die Hand behielt er vorsichtshalber am Griff der Waffe, nur für den Fall, dass Yves ihn für seinen Doppelgänger hielt.
Er machte einen Schritt nach vorne…
Und lag auf dem Boden. Ein schweres Gewicht drückte ihn nach unten, presste seinen Kopf in eine Pfütze. Er hustete, als Regenwasser ihm in Mund und Nase drang, schluckte mehr Wasser und würgte.
Jemand griff in seine Jackentasche, riss den Blaster heraus und schleuderte ihn zur Seite.
Das Gewicht verschwand plötzlich von seinem Rücken. Bevor er reagieren konnte, riss ihn etwas hoch. Eine Sekunde sah er in den Regen, der ihm entgegenfiel, dann raste eine Häuserwand auf ihn zu.
Instinktiv schützte Zamorra seinen Kopf mit den Armen und drehte sich noch in der Luft, aber der Aufprall trieb ihm trotzdem die Tränen in die Augen. Müllsäcke platzten auf, als er zwischen ihnen landete und verteilten ihren stinkenden Inhalt um ihn herum.
Zamorra nahm das kaum wahr. Schwerfällig kam er auf die Beine und sah eine Gestalt in einem schwarzen Regencape, die mit langen Schritten auf ihn zukam. Ihr Gesicht war unter einer Kapuze verborgen.
Wer zum Teufel ist das?, fragte er sich benommen.
Dann duckte er sich bereits unter dem ersten Schlag hinweg, verfehlte seinerseits die Kniekehle seines Gegners und rettete sich mit einem Sprung vor einem Tritt, der ihm den Kehlkopf zerquetscht hätte.
Der Unbekannte stieß einen knirschenden Laut aus, ob das ein Fluch oder ein Lachen war, konnte Zamorra nicht sagen. Er war viel zu beschäftigt damit, den nächsten Schlägen auszuweichen und auf den Beinen zu bleiben.
An einen Konterversuch war nicht zu denken. Er hatte längst akzeptiert, dass sein Gegner ihm haushoch überlegen war, wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis einer der Angriffe seine Deckung durchbrach.
Es geschah durch einen Zufall, ein Hindernis, an dem sich sein Fuß verfing. Zamorra stolperte, verlor das Gleichgewicht und kassierte einen Tritt, der ihn zu Boden schleuderte. Er warf sich herum, aber da war sein Gegner bereits über ihm.
Zamorra sah sein Gesicht nicht, nur die Fäuste, die seine Deckung zur Seite schlugen. Verzweifelt kämpfte er darum, bei Bewusstsein zu bleiben.
Und verlor.
***
Einen Monat zuvor
»Du wirkst so nachdenklich.«
Robert Tendyke drehte sich um und sah Natasha an, die unbemerkt neben ihn getreten war. Er hob die Schultern. »Mir gehen einige Dinge durch den Kopf.«
Dinge, von denen du nichts ahnst, fügte er in Gedanken hinzu. Seit über einem Jahr lebte er bereits in der Spiegelwelt und hatte den Platz seines Doppelgängers Ty Seneca eingenommen. Bis vor kurzem hatte er nicht gewusst, dass der wiederum als Robert Tendyke in seiner Welt lebte. Zamorra und Nicole hatten ihm bei ihrem gescheiterten Rettungsversuch davon erzählt.
Seitdem war alles nur noch schlimmer geworden. Bevor er ihnen begegnet war, hatte er angefangen, sich mit der Situation abzufinden, hatte sich selbst erlaubt, in dieser neuen Welt Fuß zu fassen. Stückweise hatte er versucht, aus dem machtgierigen und amoralischen Konzern etwas zu machen, mit dem er den Menschen helfen konnte, aber daran dachte er schon
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