0728 - Lichter der Verdammnis
hatte ihn bezwungen. Inzwischen hatte er akzeptiert, dass es diese übersinnlichen Dinge gab, und gelernt, damit umzugehen.
Einige Dämonen hatte er inzwischen zur Strecke gebracht.
Nur Maurices Tod hatte er nicht verhindern können, und auch nicht, dass seine Schwester Angelique zur Vampirin geworden war.
Sie war verschwunden, angeblich in Südamerika, wo eine Waldhexe versuchen wollte, den Vampirkeim von ihr zu nehmen. Aber seit langer Zeit hatte Cascal schon nichts mehr von ihr gehört.
Mittlerweile hatten sich andere Dinge ereignet. Cascal musste erfahren, dass es eine andere Welt gab, die der Erde glich - nur war dort das Gute böse und das Böse gut. Zumindest in den meisten Fällen. Es gab dort einen anderen Yves Cascal, einen anderen Zamorra - und ausgerechnet er, der damit nichts zu tun haben, sondern nur ungestört seiner Dämonenjagd nachgehen wollte, war in die Auseinandersetzungen hinein gezogen worden.
Immer öfter dachte er seither daran, Baton Rouge, seine Heimatstadt, zu verlassen.
Aber es fiel ihm schwer.
Hier war er aufgewachsen, hier kannte er Land und Leute, jeden Pflasterstein auf den Straßen, jeden Dachziegel, jede Haustür, einfach alles. Er war der Mann, der Ombre genannt wurde - der Schatten. Er bewegte sich vorwiegend nachts durch die Stadt. In einer Grauzone zwischen Gut und Böse.
Er hatte nie einen Beruf gelernt, nie eine Chance bekommen. Die Chance hatte er Maurice geben wollen, indem er alles, was er heranschaffte und was nicht zum Überleben der Familie gebraucht wurde, seinem contergangeschädigten Bruder zur Verfügung stellte, damit dieser sein Studium durchziehen konnte. Aber Lucifuge Rofocale hatte Maurice ermordet.
Yves vermisste seinen Bruder. Und er vermisste seine Schwester. Obgleich er bei seinen nächtlichen Aktionen immer schon ein Einzelgänger gewesen war, brauchte er ein familiäres Umfeld. Doch das war ihm genommen worden. Er war jetzt allein, und er fühlte sich nicht mehr wohl. Sein vertrautes Umfeld war zerstört worden.
Was sollte er noch in Baton Rouge?
Aber anderswo noch einmal ganz von vorn anfangen?
Er war zwar noch jung genug dafür. Aber er sah auch die Schwierigkeiten. Hier kannte die Halb- und Unterwelt ihn und respektierte ihn, weil er niemandem in die Quere kam und nur seinen eigenen Weg in der Grauzone beschritt. In einer anderen Stadt wäre er ein Eindringling, von dem man befürchtete, dass er geordnete Strukturen aufbrach. Dabei war es genau das, was er gar nicht wollte. Er war und blieb der einsame Wolf, der mit niemandem paktierte. Wenn er etwas nahm, dann nicht, um jemandem zu schaden, sondern um zu überleben. Von den Gelegenheitsjobs, die er hin und wieder bekam, konnte er das nicht.
Sein Gegenstück aus der Spiegelwelt hatte es wenigstens zum Polizisten gebracht, wie er erfuhr - allerdings zu einem verkrachten Cop, der seinen Job hatte an den Nagel hängen müssen. Manche Dinge blieben trotz aller Unterschiede doch irgendwie gleich, fand er…
Yves erhob sich.
Es war an der Zeit, einen seiner nächtlichen Streifzüge durch Baton Rouge zu machen.
Er ließ den Ju-Ju-Stab in einer Innentasche seiner Lederjacke verschwinden, die aus der Haut eines erschlagenen Dämons gefertigt worden war. Das Amulett hing an einer Silberkette vor seinem Hals, im Hosenbund steckte die großkalibrige Pistole, das Magazin mit Silberkugeln geladen. Die gießen zu lassen, war verdammt teuer gewesen, ebenso wie das Beschaffen der Pyrophoritgeschosse im Ersatzmagazin. So was bekam man auch in »Gottes eigenem Land« nicht einfach so im nächsten Waffengeschäft.
Früher hatte Cascal grundsätzlich auf Waffen verzichtet. Aber seit er sich aktiv gegen die Schwarze Familie der Dämonen gestellt hatte, reichte die Kunst der waffenlosen Selbstverteidigung nicht mehr aus. Und nur mit Zaubersprüchen allein ließen sich nur die wenigsten schwarzmagischen Kreaturen unschädlich machen.
Yves Cascal, der Schatten, verließ seine kleine Wohnung im Hafenviertel der Hauptstadt des US-Bundesstaats Louisiana und verschwand in der Nacht.
Schatten sind dunkel. Und niemand sah ihn in der Dunkelheit.
***
Das war kein Tier!
Im ersten Moment fühlte es sich so an, spürte Seneca Fell unter seinen Fingern. Aber das war nur Kleidung. Ein paar Zentimeter daneben befand sich Haut. Warme, weiche Haut.
Die wollte er festhalten.
»Loslassen!«, forderte eine unverkennbar weibliche Stimme. »Sofort loslassen, oder…«
»Oder was?« Er tastete, griff nach, bekam das Wesen
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