0728 - Lichter der Verdammnis
keine Hintergedanken hegte. Das war kein Trick. Der Mann war Ombre immer noch dankbar und suchte seit all den Jahren nach einer Möglichkeit, sich zu revanchieren.
Jetzt, da die Tendyke Industries vor einer teilweisen Neustrukturierung stand, gab es dafür vielleicht bessere Chancen denn je.
Und es würde endlich finanzielle Sicherheit für ihn, Yves Cascal, bedeuten. Nicht mehr von einem Tag zum anderen, von einer Woche zur anderen schauen müssen, sondern mit einem geregelten Einkommen planen können.
Aber es war ein radikaler Einschnitt in seinem Leben. Er würde nur noch an Wochenenden in Baton Rouge sein können. Die Legende vom Schatten würde irgendwann ihr Ende finden und nicht mehr erzählt werden. In zehn oder zwanzig Jahren kannte ihn hier niemand mehr.
Andererseits er war auch jetzt schon oft längere Zeit unterwegs, wenn er auf Dämonenjagd ging - sobald er genug Geld beisammen hatte, um so eine Jagd finanzieren zu können. Was also würde sich groß ändern?
Er war hin und her gerissen.
Und so prallte er mit einer jungen Frau zusammen, die ihm über den Weg lief.
Es war eines der ganz wenigen Male in seinem Leben, dass er unaufmerksam und abgelenkt war. Die Frau stürzte.
Erschrocken beugte sich Yves über sie. »Pardon, tut mir Leid, das wollte ich nicht… Meine Schuld…«, stieß er hervor. »Haben Sie sich verletzt?«
Sie schüttelte den Kopf.
Als er ihr auf die Beine half, klammerte sie sich regelrecht an ihm fest. Er löste sich aus der Umklammerung. »Danke«, hauchte sie und huschte blitzschnell davon.
»He, warten Sie«, rief er ihr nach. Aber da war sie schon in einem dunklen Spalt zwischen zwei Häusern verschwunden.
Yves folgte ihr in den Durchgang. Aber er konnte sie nicht mehr erkennen. Und er hörte auch ihre Schritte nicht mehr, ihren Atem ebenso wenig. Es war, als hätte der Erdboden sie verschluckt, oder als wäre sie durch ein Weltentor gegangen.
Er schüttelte den Kopf. Hatte er das wirklich gerade erlebt, oder nur geträumt? Immerhin hatte er mehr an Bracks Angebot gedacht, als auf seine Umgebung geachtet…
Er fühlte sich seltsam verwirrt.
Schulterzuckend kehrte er um und setzte seinen Weg fort. Warum sollte er der Frau folgen? Wenn sie keine Ansprüche gegen ihn stellte, nur weil er sie umgerannt hatte, war das ihre Sache.
Wieder musste er an Brack denken. Und unwillkürlich griff er in die Innentasche seiner Jeansjacke, in die er die von Dollarscheinen umwickelte Kreditkarte hatte gleiten lassen.
Die Tasche war leer.
»Verdammtes Rabenaas«, murmelte er. Die Süße hatte es doch glatt geschafft, ihn zu beklauen! Unfassbar!
Und dann:
»Der Stab!«
In der gleichen Tasche hatte sich der Ju-Ju-Stab befunden.
Und war verschwunden!
***
Roger Brack erhob sich nur wenige Augenblicke nach Ombre. Er legte ei nen größeren Geldschein auf den Tisch, warf den nackten Tänzerinnen noch einen kurzen Blick zu und folgte dem »Schatten« dann nach draußen. Nach dem Aufenthalt in der verräucherten Bude tat ihm die Frischluft gut. Seine Kleidung konnte er getrost erst mal in die Wäsche geben, weil sich garantiert so viel von der Kneipenausdünstung darin festgesetzt hatte, dass er sich damit nicht mehr in der Öffentlichkeit riechen lassen durfte.
Ombre war schon mehrere Dutzend Meter weit entfernt. Brack folgte ihm. Der Schatten bewegte sich recht langsam. Vermutlich dachte er über das Angebot nach.
Plötzlich huschte etwas vor ihm über den Gehweg - eine Ratte? Ombre stolperte. Seltsameiweise bemühte er sich um die Ratte, die sich ihm entzog und mit irgendetwas im Maul zwischen den Häusern verschwand. Ombre folgte ihr, kehrte dann aber wieder zurück und setzte seinen Weg fort.
Um Augenblicke später erneut zu stoppen - und laut zu fluchen.
Brack legte einen Zahn zu.
Da stimmte doch etwas nicht!
***
»Sie schon wieder, Roger?«, stieß Cascal hervor, als er den Manager herankommen sah. Der Mann war vorsichtig. Er sah sich ständig um, und eine Hand lag unter der zurückgeschlagenen Jacke auf dem Griff einer Waffe, die er am Gürtel trug.
»Was ist passiert, Ombre?«, wollte er wissen.
»Ich glaube kaum, dass ich für Ihr Angebot wirklich qualifiziert bin«, knurrte Yves finster. »Ich war gerade so dämlich, mich beklauen zu lassen.«
»Was fehlt?«
Yves zögerte einen Moment. Dann sagte er: »Ihr Geld und Ihre Karte.«
»Das ist doch nicht alles«, sagte Brack. Er trat zur Seite, sodass er die Hauswand im Rücken und freies Sichtfeld nach allen Seiten
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