073 - Das Alraunenmädchen
betrat der Dämon die Szene.
Der Dämon schüttelte sich und warf das Haupt zurück. Die Strähnen glitten nach hinten, und Dorian konnte die wild glimmenden Augen, die platte Nase und das Raubtiergebiß dieses Ungetüms sehen. Der Dämon brüllte in euphorischem Übermut und tanzte mit den Besessenen. Von den Bannern und Symbolen, die Dorian versteckt angebracht hatte, schien er noch nichts zu spüren. Er mußte in einem winzigen Nebenraum oder hinter der Tür auf seinen großen Moment gewartet haben.
„Euzkadi, Euzko Gudari", heulte er.
Der Dämonenkiller stieß Alirio leicht in die Seite. Dieser übersetzte von nun an ins Spanische, was der Dämon an gebrüllten Erklärungen von sich gab.
„Stirb, Elender!" schrie er den bewußtlosen Peter Plank an. „Du hast uns den hermetischen Kreisel gebracht und wirst nicht mehr gebraucht. Wir brechen dir die Knochen, reißen dir den Kopf ab und werfen dich in den Burghof hinab. Dann vierteilen wir dich. Deinen Kopf spießen wir auf einen Holzpfahl und befestigen ihn auf der obersten Spitze des Turmes."
Die Besessenen schrien Beifall. Der Magere warf sich zu Boden und wälzte sich wie in einem Anfall. Der Bucklige schüttelte sich, daß sein Höcker nur so wackelte. Auch die anderen benahmen sich immer ausgelassener.
„Der Torto hat das Geschenk entgegengenommen", stieß der Dämon hervor.
Die Besessenen johlten und bildeten nun alle einen Kreis um den Steinaltar und den Dämon. Dorian lauschte den Erklärungen des hypnotisierten Alirio. Er begriff, daß mit dem Geschenk der Kreisel gemeint war.
„Torto gibt das Geschenk an den Kind-Dämon weiter", kam es aus dem schrecklichen Maul des Scheusals.
Und wieder quittierten die Besessenen die Äußerung mit Klatschen, Stampfen, Heulen.
„Das Kind wird mit dem Kreisel spielen. Dann wird die Zwergin tanzen, weil ihr Schicksal in dem Kreisel liegt", schrie der behaarte Dämon.
Für Dorian war es offensichtlich, daß mit der Zwergin die Puppendame gemeint war, deren Konterfei er zusammen mit Trevor Sullivan auf dem Film entdeckt hatte, den sie nach Dons Verschwinden seinem Fotoapparat entnommen und entwickelt hatten.
„Und weil die Zwergin mit dem Kreisel verknüpft ist", verkündete der Dämon mit seiner entsetzlichen Stimme, „soll sie den Kind-Dämon auch erziehen. Denn" - er lachte dröhnend -„das Balg wurde von einer Sterblichen ausgetragen und muß erst unterrichtet werden, was es heißt, böse zu sein." Dorian war erschüttert. Er wußte von der Methode der Dämonen, ihren Nachwuchs von sterblichen Frauen austragen zu lassen - eine der grausamsten Praktiken dieser Ausgeburten der Verdammnis. Die vermeintlichen Eltern des Wechselbalges würden es nicht merken, wie es langsam zum Bösen erzogen wurde.
Die Fratze des Dämons zuckte. Ein gurgelnder Laut kam über seine häßlichen Lippen.
„Und der Wicht Galtxagorri - er wird sterben. Er ist uns entlaufen, der Bastard, doch wenn der Kind-Dämon mit dem Kreisel zu spielen beginnt, wird die Zwergin Galtxagorri töten."
„Töten, töten, töten!" riefen die Besessenen wie wahnsinnig durcheinander.
Dorian preßte die Zähne aufeinander. Er saß hier und war zur Tatenlosigkeit verdammt. Den Puppenmann konnte er nicht einmal warnen. Er wußte ja nicht, wo dieser sich in diesem Augenblick befand - in diesem Moment, wo sich das Schreckliche bereits ereignen konnte.
Miguel, der Schafbauer, hatte sich die Erklärungen von Narciso Sabreras angehört, während seine stämmige Frau ihm die zahlreichen Wunden verarztet hatte. Die Worte des Bauernführers wirkten überzeugend. Miguel war kein Baske wie die sechs, die vor ihm am Tisch des Wohnraumes in seinem Haus standen, doch da er in dieser Gegend lebte, fühlte er sich ihrer Religion ebenso zugehörig wie sie.
Er hatte Don Chapman, der als guter Hausgeist Galtxagorri verehrt wurde, also freundlich aufgenommen. Miguels Tochter versorgte den Puppenmann und auch Dula mit einem warmen Gericht und Milch. Wein lehnte Don dankend ab; er wollte einen klaren Kopf behalten.
Der weißhaarige Greis hockte am Kamin und murmelte unverständliches Zeug.
Don lächelte zufrieden. Zusammen mit dem Mandragoramädchen hatte er sich von Narciso Sabreras auf den Eichenholztisch setzen lassen; anders hätten sie nicht aus den Tellern essen können. Miguels Tochter hatte ihnen kleine Kaffeelöffel gegeben. Aber auch die nahmen sie noch riesig in ihren kleinen Händen aus. Schließlich war man auf den Besuch von Galtxagorri nicht
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