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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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1
    Das Atelier war wie ein Aquarium, doch mit Licht gefüllt statt mit Wasser; die Frau und das Mädchen blinzelten. Victor Maitland warf die Tür hinter ihnen zu, drehte den Schlüssel um und legte die Kette vor. Langsam kehrte die Frau sich um und beobachtete ihn furchtlos.
    «Ich weiß nicht mal deinen Namen, Mama», sagte Maitland.
    «Ich deinen auch nicht», sagte sie lächelnd und ließ einen Goldzahn sehen.
    Einen Augenblick starrte er sie an, dann lachte er.
    «Stimmt», sagte er. «Ist ja aber auch scheißegal, oder?»
    «Was für dreckige Ausdrücke, big boy», sagte sie immer noch lächelnd.
    «Und erst meine Phantasie und mein Lebenswandel, die sind noch dreckiger.»
    Sie sah ihn an und überlegte.
    «Du willst mich zeichnen?» fragte sie verschmitzt. «Okay, ich steh für dich Modell. Zeig dir alles, was ich hab. Alles. Für zehn Dollar.»
    «Zehn Dollar? Und wie lange?»
    Sie hob die Schultern. «Die ganze Nacht.»
    Er musterte den olivfarbenen fetten Leib.
    «Nein, vielen Dank, Mama», sagte er und zeigte mit dem Daumen auf das Mädchen. «Die da will ich. Wie alt bist du, Süße?»
    «Fünfzehn», sagte die Frau.
    «Mußt du nicht in der Schule sein?» fragte er das Mädchen.
    «Sie geht nich zur Schule», sagte Mama.
    «Laß sie doch selbst reden», sagte er wütend.
    Die Frau blickte sich argwöhnisch um und senkte die Stimme.
    «Dolores…» Sie tippte mit dem Finger an die Schläfe und vollführte kleine Kreise. «Ein gutes Mädchen, aber nich besonders helle. Geht nich zur Schule. Kriegt keinen Job. Wieviel zahlst du?»
    «Gut gewachsen?» fragte er.
    Nun kam sichtlich Leben in die Frau. Sie küßte ihre Fingerspitzen.
    «Wunderbar!» rief sie leidenschaftlich. «Dolores is 'ne regelrechte Schönheit.»
    «Zieh dich aus!» wandte er sich an das Mädchen. «Mal sehen, ob ich was mit dir anfangen kann.»
    Er ging mit großen Schritten durchs Atelier und schob das Posierpodest mit dem Fuß direkt unter das Dachfenster. Warmes Aprillicht fiel schräg ein. Er zerrte eine Kiste heran und kramte Skizzenblock und Kohlestifte heraus. Als er aufsah, stand das Mädchen immer noch reglos wie zuvor.
    «Worauf wartest du?» rief er wütend. «Mach schon, runter mit dem Zeug! Zieh dich aus!»
    Die Frau trat zu Dolores und ließ murmelnd einen Schwall Spanisch auf sie herniedergehen.
    «Wo?» wandte sie sich dann laut an Maitland.
    «Wo?» schrie er. «Hier!» Wirf ihre Fetzen auf das Feldbett. Die Schuhe soll sie anbehalten; der Boden ist feucht.»
    Wieder wandte die Frau sich an das junge Mädchen. Dolores begann sich auszuziehen, gelassen und geistesabwesend. Mantel und Kleid fielen auf die Liege. Ihre Unterwäsche war aus Baumwolle, grau und verschmutzt. Die Achselbänder waren mit Sicherheitsnadeln befestigt. Sie zog den Schlüpfer herunter und stand nackt da.
    «Gut so», sagte Maitland. «Komm her und stell dich auf das Podest da.»
    Mama nahm Dolores bei der Hand und half ihr hinauf. Dann trat sie zurück. Dolores' Blick war immer noch abwesend, sie hatte Maitland noch nicht angesehen. Sie stand unbeweglich, mit locker hängenden Armen. Er schritt um sie herum. Umkreiste sie ein zweites Mal.
    «Herr im Himmel!» entfuhr es ihm.
    «Was hab ich gesagt?» Mama strahlte. «Schön, was?»
    Er würdigte sie keiner Antwort, rückte die Kiste zurecht, lehnte den Skizzenblock an eine Kanne Terpentin und starrte das Mädchen aus zusammengekniffenen Lidern an.
    «Hast du was zu trinken, big boy?» fragte Mama.
    «Bier. Im Kühlschrank», sagte er. «Kann sie englisch?»
    «Bißchen.»
    Maitland trat dicht an das Mädchen heran.
    «Hör zu, Dolores», sagte er laut. «Stell dich mal so hin. Neig dich ein bißchen vor, stütz die Hände auf die Knie. Nein, nein, aus der Hüfte heraus… Sieh mich mal an … so … Und jetzt den Hintern raus. So ist es gut! Und jetzt den Rücken biegen. Kopf hoch! Mach schon … so. Kopf hoch. Noch etwas höher. Und die Beine ganz steif. So ist es richtig. Und drück die Titten raus.»
    «Whiskey?» fragte Mama.
    «Im Schränkchen unterm Ausguß. Die Titten, Dolores! Komm schon! Streck sie schön raus. Ja, genau so! Und jetzt nicht mehr bewegen!»
    Maitland trat rasch zurück und nahm den Skizzenblock auf. Er blickte Dolores an, dann aufs Papier und skizzierte - wenige, fieberhaft hingefetzte Striche. Er riß das Blatt ab und ließ es fallen, warf die nächste Skizze hin, nicht aus dem Handgelenk, sondern mit dem ganzen Arm.
    Er riß auch dieses Blatt ab, ließ es fallen, begann mit

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