0736 - Jäger der Nacht
an und drehte sich dabei herum, weil sie die optimale Position finden wollte, um sich zu erheben.
Dunkelheit, Nacht und Dunst…
Ein einsames Gelände jenseits der Betonklötze, die wie kantige Säulen im weichen Nebel schwammen.
Sie stand auf.
Es klappte alles phantastisch. Sie blieb stehen und drehte sich auf der Stelle. Etwas pulsierte durch ihren Körper, doch es war nicht das Blut, wie sie es von früher her kannte. Es war einfach die Gier, die sie überkommen hatte.
Sie brauchte jetzt etwas, eine Nahrung…
Sie wollte Blut!
Zum erstenmal dachte sie daran, ihren unheilvollen Trieb zu stillen. Seltsamerweise bereitete es ihr keine negativen Gefühle. Für sie war das Blut wichtig, denn nur der rote Lebenssaft garantierte ihr eine weitere Existenz.
Woher nehmen? Sie wollte es schnell trinken, es war wichtig, und sie drehte sich auf der Stelle.
Dabei kam ihr etwas in den Sinn. Zuerst nur ein Funken der Erinnerung, der allerdings Nahrung fand und sich zu einer Flamme hochbauschte. Da gab es Nahrung, da lag jemand, sie hatte selbst gesehen, wie er zusammengebrochen war.
Ricky…
Aber er war weg!
Vergebens schaute sie dorthin, wo er eigentlich hätte liegen müssen. Sie ging sogar auf die Stelle zu, weil sie damit rechnete, daß ihr der Dunst die Sicht nahm.
Es stimmte nicht.
Die Stelle war leer.
Anne Wilde blieb stehen. Sie drückte ihren Kopf zurück und bewegte ihn suchend leicht hin und her, weil sie unbedingt eine neue Beute benötigte. Nichts zu sehen.
Dafür ein sehr schwacher abnehmender Mond am Himmel, ein blasses Auge jenseits der Schwaden.
Wohin also?
Ihr blieb nur mehr eine Chance. Sie mußte dorthin, wo die hohen Häuser standen, wo sie sich auskannte, wo sie selbst wohnte, mit einer Frau namens May Feldman.
Sie war eine Frau, das stimmte. Nur würde Anne Wilde sie nicht mehr als solche ansehen.
Für sie war sie jetzt ein Opfer!
Das erste Opfer, denn Ricky war verschwunden. Er mußte erwacht und einfach weggelaufen sein, ohne sich um sie zu kümmern. Im nachhinein war es für ihn sogar besser gewesen.
Sie hob die Schultern.
Wenn er nicht in der Nähe war, mußte sie sich eben noch gedulden. In den Häusern gab es genügend Blut.
Literweise…
Ihre Augen leuchteten, als sie daran dachte. Sie brauchte nur hinzugehen und konnte sich die Menschen aussuchen.
Aus diesem Grund zögerte sie keine Sekunde länger, drehte sich um und ging los…
***
Die andere war schneller als ich und packte zu. Ich hatte zunächst meine Überraschung verdauen müssen, obwohl ich eigentlich damit hätte rechnen können.
Wie ein dickes Gespinst erschienen die Hände vor meinem Gesicht. Finger umkrallten meinen Hals und hielten eisern fest. Ich hörte das wütende Fauchen der Gestalt, dann zerrte sie mich in die kleine Kabine und zu sich heran.
Gleichzeitig schleuderte sie mich herum. So kräftig, daß ich nichts dagegen unternehmen konnte, und ich krachte mit dem Rücken und der Schulter gegen die Wand.
Das alles hatte sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne abgespielt.
Danach fand die Blutsaugerin noch die Zeit, die Tür zu schließen, ohne sich dabei direkt um mich zu kümmern.
Sie drückte auf irgendeinen Knopf.
Der Lift setzte sich in Bewegung.
Fäuste trommelten von außen gegen die Tür. Das mußte Suko gewesen sein, der es noch versucht hatte.
Ich war noch benommen und hatte Mühe, mich zurechtzufinden.
Bei mir war der Faden gerissen, und er knotete sich erst wieder zusammen, als mich die Vampirin anfiel.
Sie war wie von Sinnen.
Während der Lift in die Tiefe fuhr, warf sie sich auf mich. Sie wollte mich fertigmachen, um mir dann in aller Ruhe das Blut aussaugen zu können.
Ihre Hände hatten meine Schultern umklammert. Sie schleuderte mich vor, dann zurück, und mein Hinterkopf schlug hart gegen die Rückwand, so daß ich Sterne sah.
Ich rammte die rechte Faust vor.
Sie traf etwas Weiches. Der Druck schleuderte die Person zurück, ich bekam etwas Luft.
Dann stoppte die Kabine. Allerdings nicht sehr lange, denn Anne befand sich nahe der Tafel.
Sie schlug wieder darauf.
Der Lift fuhr nach oben.
Auch ich kam hoch. Ich durfte mir keine Schwäche mehr erlauben.
Diese Person war kein Mensch mehr, auch wenn sie so aussah. Sie war von dem Willen beseelt, Blut zu trinken, mich auszusaugen, meinen Lebenssaft in sich aufzunehmen und sich daran zu laben und gleichzeitig genügend Kraft zu finden.
Der Lift gehörte zu den älteren Modellen. Er fuhr längst nicht so glatt und sicher wie die
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