0737 - Kreaturen der Finsternis
Einstieg zu gelangen. Ich half einer Frau, den Kinderwagen herauszutragen, und der Kleine kreischte mich an.
Ich lächelte ihm zu und stieg in den Wagen.
Links lag er vor mir. Die Sitze, die Haltestangen, die Griffe, die von der Decke hingen, der Geruch, der mir überhaupt nicht gefiel, denn der Wagen war überheizt. Eine Mischung aus Rasierwasser, Parfüm und feuchter Kleidung schwängerte die Luft. Ich wäre am liebsten wieder ausgestiegen.
Statt dessen suchte ich mir einen Sitzplatz.
Fehlanzeige, denn alle Plätze waren besetzt. Die Neuhinzugekommenen mußten stehen, zum Glück nicht so dicht gedrängt, wie im Hauptverkehr am Morgen.
Wer war Sabka?
Ich schaute mir die Fahrgäste an, denn ich hatte mir einen günstigen Standplatz ausgesucht, von dem aus ich den gesamten Wagen überblicken konnte.
Auf den Plätzen saßen zumeist Frauen. Aber auch Jugendliche verteilten sich im Wagen. Einige von ihnen glotzten stoisch zu Boden, andere hatten die Clips ihrer Walkman in die Ohren gesteckt und hörten Musik, wobei sie sich nach den für sie zu hörenden Rhythmen bewegten. Mal mit den Füßen den Takt traten oder mit den Fingern schnippten, ja nach Temperament. Manche hatten auch die Köpfe zurückgelegt und die Augen geschlossen.
Unter ihnen fand ich Sabka bestimmt nicht.
Ich rief mir seine Stimme ins Gedächtnis zurück. Oft kann man am Klang der Stimme erkennen, wie alt ein Mensch ungefähr ist. Für mich jedenfalls gehörte Sabka nicht mehr zu den Jungen oder Jugendlichen, er konnte in meinem Alter sein.
Der Zug fuhr an.
Noch fünf weitere Personen außer mir standen im Wagen. War von ihnen jemand dieser Sabka?
Auch schwer vorstellbar. Zwei Männer sahen aus, als hätten sie soeben eine Bank verlassen. Klassisch geschnittene Mäntel aus dunkelblauem Tuch, die entsprechenden Hüte auf den Köpfen, den etwas blasierten Ausdruck in den Augen. Sie schauten ins Leere und hingen ihren Gedanken nach.
Der dritte Mann war ein dicker Typ in roter Lederjacke, die er wegen seines Bauchs nicht mehr schließen konnte. Seine prall gefüllten Einkaufstaschen hatte er neben sich gestellt. Durch den Druck seines linken Beines sorgte er dafür, daß sie nicht umfielen. Sein Gesicht sah seltsam bleich aus. Die Nase war nach oben gebogen, und wenn er Pech hatte, lief bei starkem Regen das Wasser in seine Nasenlöcher.
Die zwei restlichen Männer waren so unscheinbar, daß sie gar nicht auffielen. Buchhalter oder irgendwelche Sesselfurzer aus Amtsstuben, jedenfalls beim ersten Hinschauen.
Der Dicke hob die Hand. Er hatte Wurstfinger. An seinem kleinen Finger der rechten Hand funkelte ein Ring.
Längst waren wir in die Röhre hineingefahren. Dunkelheit, Schatten, hier und da bei blitzschnell vorbeihuschender Lichtreflex, das Übliche eben, was man bei einer U-Bahnfahrt erlebt.
Hinter mir spürte ich die Bewegung. Ich drehte mich um.
Der Mann war schon so nahe an mich herangekommen, daß ich zurückgehen mußte, um ihn passieren zu lassen. Das wollte er nicht. Er ließ mich nur tiefer in den Wagen gehen, blieb stehen, schaute mich an und nickte mir zu.
Das war Sabka!
Ich schaute ihn an. Er trug eine Lederjacke, die offenstand. Feste Schuhe, Jeans, einen rosafarbenen Pullover und einen grünen Schal locker um den Hals geknotet. Sein Haar war schwarz wie glänzende Kohle. Es war gescheitelt und fiel an beiden Seiten bis über die Ohren. Da sich der Scheitel genau in der Mitte befand, sah es aus wie ein Vorhang, der soeben geöffnet worden war. So dunkel wie das Haar waren auch die Augen. Die Brauen darüber lagen dort als zwei schwarze Striche. Die Nase war kantig mit einem kräftigen Rücken. Auch das Kinn sprang etwas hervor, so daß ich die breiten Lippen erst beim zweiten Hinsehen wahrnahm, da sie durch die übrigen Merkmale des Gesichts kaum auffielen.
»John Sinclair?« fragte er mich.
»Sabka?« fragte ich zurück.
»Ja.«
»Dann bin ich John Sinclair.«
Er atmete auf.
Mir gefiel der Platz nicht, wo wir uns aufhielten, und ich fragte ihn, ob wir nicht lieber woanders hingehen wollten, doch er schüttelte den Kopf, und seine Antwort überraschte mich zunächst.
»Nein, wir müssen hierbleiben!«
»Wie Sie wollen.«
»Danke.«
»Wie weit sollen wir denn fahren, Mr. Sabka? Bis zur Endstation und dann wieder zurück?«
»Das kommt darauf an.«
»Worauf bitte?«
Er senkte den Blick und machte den Eindruck eines Menschen, der nachdachte. »Das ist schwer zu sagen, Mr. Sinclair, aber ich habe Sie nicht ohne
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