0740 - Das Blutgespenst
Leben, der er nicht nachweinte. Er fühlte sieh nicht zum Weltenherrscher berufen. Seine Profession war nicht die Macht, sondern die Neugier, und auch wenn er es schon längst nicht mehr nötig hatte, in seinem Beruf zu arbeiten, nahm er hin und wieder noch Aufträge an oder wurde von sich aus aktiv, wenn ihn etwas interessierte. Normalerweise überließ er die Arbeit längst den Kollegen. Mochten die ihr Geld verdienen, Ted brauchte es nicht. Sein Vermögen vermehrte sich von selbst, während er seinen Hobbys nachging.
»Du willst also wirklich…«, begann Carlotta erneut.
Ted erhob sich. »Ja. Du kannst gern mitkommen.«
»Und mit einem Mafioso paktieren? Vergiss es«, fauchte sie. »Du musst den Verstand verloren haben. Mir wäre es lieber, wenn du hier bliebest. Falls es wirklich etwas Magisches ist, wie dieser Mafia-Mann und du vermuten, wäre das doch eher eine Sache für Zamorra! Lass den das doch machen!«
»Die beiden kennen sich nicht. Wahrscheinlich wird Gino Zamorra nicht vertrauen. Mir dagegen vertraut er.«
»Lass es, Ted«, bat Carlotta. »Bleib hier. Du hast es nicht nötig. Es gibt andere, die sich darum kümmern können.«
Im ersten Moment wollte er ihr heftig in die Parade fahren. Aber dann zuckte er mit den Schultern.
Sie kannten sich nun schon lange und lebten seit Jahren zusammen. Anfangs hatte sie ihn gewähren lassen bei allem, was er tat, auch wenn sie erkannte, wie gefährlich es war. Sie hatte das Übersinnliche und die Magie akzeptiert.
Aber seit vielleicht zwei Jahren oder wenig mehr veränderte sich ihr Verhalten. Sie liebte ihn immer noch, das wusste er, und auch er liebte sie. Aber sie versuchte, ihn von gefährlichen Abenteuern abzuhalten. Früher hatte sie das nicht getan.
Was ging in ihr vor?
Er hatte sie gefragt, aber jedesmal wich sie einer klaren Antwort aus. Allmählich wurde es ihm lästig, sich jedesmal Vorwürfe machen zu lassen, wenn er sich in Gefahr begab. Früher hatte sie es akzeptiert, warum jetzt nicht mehr?
Vor einigen Monaten hatte sie ihn dann auf einer dieser Aktionen begleitet. Es war zu Auseinandersetzungen mit einem gefährlichen Gegner gekommen, und ausgerechnet Carlotta hatte dabei gekämpft, als sei ihr eigenes Leben nichts wert! Sie war größere Risiken eingegangen, als er es in seinem ganzen Leben bisher getan hatte. Sie forderte den Tod regelrecht heraus.
Und ihn wollte sie daran hindern, sich in Gefahr zu begeben!
Und solange sie ihm nicht verriet, warum sie sich so verhielt, reizte sie seinen Trotz.
Jetzt erst recht!
Er würde sich um Ginos Anliegen kümmern, ob Carlotta wollte oder nicht!
***
Um Mitternacht huschte ein nebelhaftes Etwas durch die Straßen von Terni und erklomm die Fassade des Krankenhauses, um durch ein halb geöffnetes Fenster einzudringen. Es dehnte sich aus, füllte das gesamte Zimmer und konzentrierte sich auf die schlafende Person. Sie zuckte leicht zusammen. Ihr Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei.
Nach kurzer Zeit glitt das Nebel-Etwas wieder durch das Fenster davon. Und nichts mehr war so, wie es bisher gewesen war…
***
Schwester Marina hatte Nachtdienst. Sie nahm ihre Aufgabe ernster als viele ihrer Kolleginnen, auch wenn sie sich wie diese unterbezahlt wusste. Marina wartete nicht unbedingt immer, bis in einem der Zimmer der Notruf ausgelöst wurde, sondern schaute bei manchen Patienten auch zwischendurch mal nach dem Rechten. Zum Beispiel bei der alten Frau, die gestern Vormittag mit einem Schock eingeliefert worden war.
Schwester Marina machte ihren Rundgang. Erfreulicherweise war nicht viel los. In den letzten drei Stunden war gerade dreimal ein Notsignal gekommen, und auch da war es nichts Ernstes. Sie wünschte sich, dass es so blieb - nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Patienten. Wenn die keine Hilfe brauchten, ging es ihnen relativ gut. Und das freute Marina.
Ganz leise öffnete sie die Tür des Einzelzimmers, in dem die alte Dame lag.
Etwas stimmte nicht. Es roch nach Blut!
Marina schaltete das Licht ein.
Und glaubte, in einen tiefen Abgrund zu stürzen. Die alte Dame lag in ihrem Bett, den Mund und die Augen weit aufgerissen, das ganze Bett war mit Blut besudelt, der Boden ringsum, Flecken an der Wand…
»Oh Gott!«, flüsterte Schwester Marina entsetzt und bekreuzigte sich. Sie ging langsam zum Bett, bemühte sich, nicht in das Blut zu treten, was aber unvermeidlich war, und tastete nach der Halsschlagader der alten Dame.
Da war nichts zu spüren.
Marina wandte
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