0740 - Todesgruß der Templer
älter geworden. Sein Gang, auf den er früher so stolz gewesen war, konnte er nicht mehr als kraftvoll und federnd bezeichnen, auch seine Haltung sprach über seinen Zustand Bände.
Die Schultern eingesunken, den Kopf nach vorn gebeugt, eine urschlechte Haltung.
Sie kümmerte ihn nicht. Ohne Eireen - und sie waren beide stolz auf sich gewesen - hatte alles keinen Sinn. Sein Leben würde sich ändern, es würde eine Kurve bekommen, und er würde sich - das stand für ihn schon fest - aus dem Geschäftsleben zurückziehen. Er hatte genügend Vermögen angesammelt, um sich dies leisten zu können. Doch was sollte er in seinem Haus auf Ibiza ohne Eireen?
Da würde es leer sein, so leer und doch vollgepfropft mit Erinnerungen. Er würde sich einen Käufer dafür suchen und nie mehr hinfahren.
Der Spiegel war groß genug, um auch einen Teil des rückwärtigen Zimmers überblicken zu können.
Dort standen die beiden Betten, dort lag auch Eireen.
Er schloß die Augen.
Er wollte sich nicht sehen, er wollte auch keinen Blick auf die Tode werfen. Er würde noch einmal all seine Energie brauchen müssen, um den Killer zu stellen.
Die Waffe aus dem Unsichtbaren. Den verfluchten Dolch des Kalifen Harun El Basra, der längst hätte vernichtet werden sollen. Dann wären Eireen und einige andere aus der Bruderschaft noch am Leben.
Die Bruderschaft!
Sie war das Problem, sie war auch das Hemmnis, weil jedes Mitglied ein Gelübde abgelegt hatte, über gewisse Dinge zu schweigen. In der letzten Zeit aber waren sie zu einer Bruderschaft des Todes geworden, keiner war mehr sicher - keiner.
Mit geschlossenen Augen wandte er sich nach rechts und schaute erst wieder normal, als er einige Schritte vom Spiegel entfernt war und sich nicht mehr selbst sehen konnte.
Er ging durch die Tür.
Ein Blick auf die Uhr. Für kurze Zeit verschwanden die Zahlen vor seinen Augen.
Der Mann vom Yard würde gleich kommen. Sir James hatte jemand geschickt, dessen Name er kannte.
John Sinclair!
Ein Oberinspektor, jemand der sich auskannte im Kampf gegen die unheilvollen Mächte der Finsternis. Er würde das Grauen möglicherweise stoppen können. Um es aber zu schaffen, benötigte er Hintergrund-Informationen, und deshalb würde Ellroy sein Gelübde noch einmal brechen. Der Bruch ging immer tiefer.
Der Weg führte ihn zurück ins Arbeitszimmer. Er wollte nicht in den großen, gemütlichen Wohnraum, denn dort befanden sich zu viele Erinnerungen an seine tote Frau.
Im Arbeitszimmer nahm er wieder hinter dem Schreibtisch Platz und schaute auf die moderne Kommunikationsanlage, die im krassen Gegensatz zu dem Möbelstück aus dem Spätbarock stand.
Es war alles vorhanden. Er konnte telefonieren, ohne den Hörer aufzunehmen, er konnte auch durch den Raum wandern und sprechen, damit der andere Partner ihn hörte. Vom Schreibtisch aus konnte er auch die Tür unten öffnen und den Besucher nach oben bitten.
Zusätzlich stand ihm ein Monitor zur Verfügung, der das Bild im Flur übertrug.
Ein großes TV-Gerät und ein Videorecorder standen ebenfalls in seinem Arbeitszimmer. Es konnte durch die Fernbedienung eingeschaltet werden.
Alles war perfekt, alles war okay, nur jetzt nicht mehr. Sie war tot, Eireen lebte nicht mehr.
Er ballte die Hände zu Fäusten und trommelte damit auf die Schreibtischplatte. Er konnte es noch immer nicht fassen. Der Tod war so etwas von grausam, wenn er nicht natürlich war und brutal in das Leben einschnitt.
Etwas streifte seinen Nacken.
Zuerst fiel es ihm nicht auf, doch als der Luftzug von der anderen Seide her zurückkehrte, wurde er doch aufmerksam, und über seine Haut strich ein Schauer.
Durchzug?
Nein, Fenster standen ebenso wenig offen wie Türen. Dieser Luftzug mußte eine andere Ursache haben.
Sir Dean blieb sitzen. Steif, unnatürlich, seine Hände flach auf die Schreibtischplatte gedrückt. Er lauschte, sein Körper war zu einem sensiblen Sensor geworden, der alles registrierte, was in seiner unmittelbaren Nähe geschah.
Es war keiner da - oder doch?
Hinter ihm befand sich eine freie Fläche. Das Regal mit den Büchern begann erst einige Yards weiter.
Ein Geist?
Der Geist einer Toden?
Eireens?
Diese Fragen hämmerten auf ihn ein. Er konnte sich keine Antwort geben, er wollte es auch nicht wahrhaben. Es war unmöglich. Wenn er ehrlich war, sollte er dieses Word besser aus seinem Repertoire streichen. Auch ein Fluch wie der des Dolchs mußte von einem normal denkenden Menschen als unmöglich angesehen
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