0740 - Todesgruß der Templer
glich mehr einem Versehen. Es hat ihren Mann treffen sollen. Auch andere Personen befinden sich in Gefahr, und sie leben nicht alle in London, sondern auf der Welt verstreut.«
»Das kann ja heiter werden«, murmelte Suko. »Ich sehe mich schon im Flugzeug sitzen und von einem Ort zum anderen jetten.«
»Das ist Theorie. Ich glaube nicht, daß es so schlimm werden wird. Versuchen Sie Ihr Glück bei Sir Dean, John.«
»Werde ich machen.« Ich stand auf. »Ach ja, noch eine Frage. Hat er seine tote Frau abholen lassen?«
»Nein. Sie liegt noch genau dort, wo man sie umgebracht hat. Im Bett ihres Mannes.«
»Danke, Sir.«
Ich verließ den Raum und wußte selbst nicht, weshalb ich so überaus sauer war.
Es konnte daran liegen, daß mir dieser verdammte Verräter nicht aus dem Kopf ging…
***
Sir Dean Ellroy hatte es in seinem Büro nicht mehr ausgehalten, war durch das Haus gewandert und schließlich vor der Tür des Schlafzimmers stehengeblieben.
Sollte er - sollte er nicht?
Noch hatte er Zeit, von seiner geliebten Frau Abschied zu nehmen. Der Mann, den Sir James schicken wollte, würde sicherlich erst in einer halben Stunde eintreffen.
Er legte eine Hand auf die Klinke und näßte durch den eigenen Schweiß das Metall. Er schüttelte sich, weil ihn plötzliche Ahnungen und schreckliche Vorstellungen überkamen.
Was war, wenn er Eireen nicht mehr so vorfand, wie er sie einmal verlassen hatte? Wenn sie sich verändert hatte, zusammengezogen wie Gummi, verfault war wie eine uralte Leiche mit verwesten Lippen und einem furchtbaren Rachen.
Die Bilder stiegen in ihm auf. Er wischte über seine Stirn und die Augen.
Die Ahnungen verschwanden, aber Sir Dean wußte nicht, ob es mit seiner Gestik zu tun hatte.
Der Anwalt drückte die Tür auf. Er trug eine graue Hose, dazu ein weißes Hemd und spürte unter seinen Achseln den Schweiß.
Zwei hohe Fenster hatte der Raum. Das Licht drang aus verschiedenen Richtungen in das Zimmer.
Obwohl der Tag draußen trübe und regenverhangen war, kam Ellroy das Zimmer einfach zu hell vor. Er schleifte die Stores vor die Fenster. Sie waren zwar nicht sehr dunkel, aber sie filterten einen Teil des Lichts.
Er trat auf Zehenspitzen an das Totenbett heran.
Nichts hatte sich bei Eireen verändert. Sie lag noch immer so starr und bleich vor ihm. Nur der rote Fleck auf ihrer Brust schien sich vergrößert zu haben. Er sah sich die Wundränder genauer an und stellte fest, daß sie weiter auseinandergefasert waren.
Er schwieg.
Etwas drückte von seinem Magen hoch in die Kehle, um sich dort zu verändern, denn Bilder ihres gemeinsamen Lebens stiegen in ihm hoch. Szenen von schönen, fröhlichen Tagen, sogar noch aus seiner Zeit als Student, denn da hatte er Eireen bereits gekannt.
Doch auch deprimierende Bilder sah er. Eines war besonders schlimm. Er sah Eireen und sich beim Arzt sitzen und in das ernste Gesicht des Doktors schauen, der ihnen dann mit sanfter, doch sehr ernster Stimme erklärt hatte, daß es ihnen beiden nicht möglich sein würde, Kinder zu bekommen.
Es lag an ihm, und diese Tatsache hatte sie beide erschüttert, denn sie waren sehr kinderlieb: Sie hatten auch mit dem Gedanken gespielt, welche zu adoptieren, doch es war ihnen immer wieder etwas dazwischengekommen, dann hatten sie es letztendlich aufgegeben und sich um die Kinder aus der Verwandtschaft gekümmert. Die Nichten und Neffen waren von ihnen verwöhnt worden. Was würden sie zum Tod ihrer Tante sagen.
Er hörte sich seufzen und merkte erst danach, daß Tränen an seinen Wangen herabrannen.
Er wischte sie weg.
Den Blick der starren Augen konnte er nicht ertragen. Obwohl darin nichts zu sehen war, hatte er das Gefühl, sie würden ihm eine Anklage entgegenschicken und ihm die Schuld daran geben, daß seine Frau ums Leben gekommen war.
Er nahm sie auch auf sich. Wäre er im Haus geblieben und nicht über Nacht in den Club gegangen, um gewisse Probleme noch auszudiskutieren, wäre ihm das alles erspart geblieben.
So aber nicht.
Er beugte sich herab und schloß seiner Frau die Augen. Die Geste hatte etwas so Endgültiges an sich, daß sie ihn tief erschütterte und er sich vom Anblick der Leiche wegdrehen mußte. Er konnte es nicht mehr ertragen, auf Eireen zu schauen.
Er ging, und sein Blick fiel zwangsläufig auf den großen Wandspiegel. Dean blieb stehen.
Schaute ihn ein Fremder an?
Nein, das war er und kein anderer. Nur hatte er sich schrecklich verändert. In kurzer Zeit war er um einige Jahre
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